Podcast »Hinterbühne« #33
Transkript

Intro:

»Hinterbühne«, der Podcast des Theaters Ulm, mit Gesprächen irgendwo zwischen Foyer, Rang, Podium und hinter der Bühne.

Christian Stolz:

Ein herzliches Hallo zur neuen Folge des Podcasts.

Diese Folge, die kurz vor den Sommerferien am Theater Ulm entsteht, wir sind in den letzten Wochen dieser Spielzeit, vielleicht hören sie diesen Podcast auch in unseren Theaterferien, in der theaterfreien Zeit sozusagen und der heutige Gesprächsgast ist auch gerade in den Vorbereitungen für die Spielzeit, die im September startet. Der heutige Gesprächsgast ist nämlich GMD, Generalmusikdirektor Felix Bender. Hallo Felix.

Felix Bender:

Hallo Christian, Ich freu mich.

Christian Stolz:

So, wir sind also, kann man sagen, ein paar Tage von den Ferien entfernt. Wir haben eine Theatersaison hinter uns, die im letzten September begonnen hat und jetzt im Juli endet, mit ganz vielen Produktionen im Musiktheater, natürlich im Tanztheater, im Schauspiel.

Wie fühlt man sich, wie fühlst du dich nach so einer Theatersaison an diesem Punkt, an dem vieles in dieser Saison vorüber ist und wir die nächste Saison vorbereiten?

Felix Bender:

Ja, also so richtig Pause oder Zeit hat man ja eigentlich in dem Beruf hier nie. Aber es ist schon, also ein ganz beglückendes Gefühl, so eine tolle und erfolgreiche Saison zusammen mit unseren Künstlerinnen und Künstlern und auch mit unserem Publikum fast hinter uns zu haben und da so positiv drauf zurückblicken zu können. 

Und wir haben ja auch im Musiktheaterbereich zum Beispiel mit unserem letzten großen Tournemire, mit der Uraufführung im Mai, wirklich einen tollen Erfolg erzielen können, der auch überregional beachtet wurde, und das Macht natürlich Spaß, sozusagen das so zusammen hier mit allen am Haus teilen zu können.

Ich muss dazu sagen, also es war wirklich viel dieses Jahr, auch für mich und ich hab auch einige Sachen außerhalb gemacht. Für mich ging die Saison letztes Jahr, also im Sommer letzten Jahres schon drei Wochen früher los als für die anderen, weil ich in Köln »Elektra« dirigiert habe, also eine Neuproduktion. Das heißt da war ich schon auf 180 sofort wieder, das ist kein Stück was man einfach so aus dem Handgelenk schüttelt und dann eben auch noch in Köln, also auswärts.

Das war schon aufregend und ich hab auch zwischendurch so ein paar Sachen gemacht. Da mal dirigiert, dort mal ein Konzert gemacht und das passt dann immer so genau in unseren Plan rein und das hat eine gewisse ja Schlagzahl gehabt, sag ich mal.

Christian Stolz:

Über deine Gastspiele außerhalb und über die nächste Spielzeit, hier werden sicher noch sprechen, ein kleines besonderes Erlebnis gab es vielleicht in den letzten Tagen, es gab auch ein Video davon im Internet, du hast nicht nur Musiker des Orchesters, sondern auch das Publikum dirigiert, in der Ratiopharm-Arena hier in Ulm, in Neu-Ulm.

Wie kam es dazu?

Felix Bender:

Ja, also das war anlässlich der Playoff Finals der Basketballmannschaft aus Ulm/Neu-Ulm, nämlich die Ratiopharm-Ulm Mannschaft, die jetzt in den Playoff Final spielen, um die Deutsche Meisterschaft gegen Bayern München gespielt hat. Und da gab es eben auch zwei Spiele hier bei uns, in unserer Doppelstadt, und ganz am Ende von diesem Playoff, also wirklich letzten Partien, also in Finals, ist es immer gang und gäbe, dass da sozusagen noch als zusätzlicher Programmpunkt vielleicht, vorher die Nationalhymne gesungen wird. 

Und das wird in ganz unterschiedlichen Interpretationen, glaub ich gemacht, mal mit Band und alle singen mit oder eine Solosängerin und Solosänger oder mal bei uns haben auch einmal die Spatzen gesungen, die Ulmer Spatzen, ganz schön auch und wir haben als Orchester eben auch eine Anfrage bekommen, ob wir nicht da als Orchester diese deutsche Nationalhymne spielen können, was dann effektiv eine Minute ist, ne, insgesamt am Ende fand ich das spannend und mir war klar wir können jetzt nicht das ganze Orchester da hinsetzen, zumal aber auch gerade die Wilhelmsburg-Produktion noch läuft und an dem gleichen Abend war dann auch noch eine Vorstellung. 

Also hab ich mir überlegt, dann machen wir das ganz klein und fein, aber irgendwie wirkungsvoll. Dann hab ich einen Satz geschrieben für vier Hörner und dann hab ich unsere vier Hörner des philharmonischen Orchesters gebeten, sozusagen, ob sie das mit mir zusammen dort aufführen würden und dann war der Clou eben, dass wir das gespielt haben und ich hab dann, während die Hörner eben natürlich weiter gespielt haben, hab ich das große Publikum zum Mitsingen animiert und dirigiert. 

Und das waren dann immerhin doch über 6000 Menschen und die haben alle unterschiedlich stark, aber sehr engagiert mitgesungen und haben sehr gejubelt danach und das war einfach ein cooles Erlebnis, ne, also mal was ganz anderes, ne, wir sind ja noch geblieben und haben uns das Spiel angeguckt, es war mega spannend und man kriegt so nochmal einen ganz anderen Blick auf diese Sachen, die hier auch laufen und die wir vielleicht sonst gar nicht, wo wir gar nicht die Zeit haben, mitteilzunehmen, das war wirklich schön.

Christian Stolz:

Dass das Orchester mal außerhalb vom Theater oder vom Kongresszentrum spielt, ist natürlich logistisch auch sehr aufwendig. Aber es gibt die kleinen feinen Gelegenheiten, in fast jeder Saison eigentlich, wie auch das Dialogkonzert, wo ihr in Schulen geht mit dem Orchester und dort direkt zu den Schülern geht, die quasi nicht ins Theater kommen müssen, sondern vor Ort dann das musikalische Erlebnis des Orchesters haben, schöne Gelegenheiten, das Theater, das Orchester außerhalb auch mal zu entdecken.

Felix Bender:

Ja, absolut. Ich finde, es ist auch ein ganz, ganz elementarer Bestandteil unserer Arbeit hier, dass wir eben nicht nur, sozusagen, jetzt ganz mal schlecht gesagt, unser Programm hier abspulen, das machen wir eh nicht. Aber dass wir auch versuchen, ein bisschen rauszukommen, das war mir ja auch wichtig, als ich hier angefangen habe als GMD, das habe ich da im Jahr 2021 schon mal gesagt, dass ich das wichtig finde: A) dass wir noch ein kleines bisschen mehr so in die Stadt hineinstrahlen, ich glaube, das hat auch so funktioniert, denke ich, dass wir auch mal Gelegenheiten finden entweder selber irgendwo draußen spielen, außerhalb, oder dass wir es schaffen, auch Projekte, die hier am Haus oder in so einem Konzert geplant sind, mit Orchester, auch mit Ensembles der Stadt zu kombinieren. Da sind auch einige schöne Sachen, glaube ich, schon gelaufen, vielleicht besonders so in Erinnerung geblieben ist die Sea Symphonie von Vaughan Williams, das war das fünfte Sinfoniekonzept meiner zweiten Spielzeit, also im Juni 2023.

Und da hatten wir dann noch mehrere Chöre mit dabei, unter anderem die Damen und Herren des Oratorien-Chors. Das war schon toll, da mit unserem Haus-Chor, unserem Extra Chor zusammen und wir haben die Bühne dieses CCU wirklich geflutet mit Musikerinnen und Musikern und Sängerinnen und Sängern, das war toll. 

Christian Stolz:

Ich erinnere mich auch noch gut an den Abend, es war wirklich eine ganz besondere Stimmung damals dort, das war toll.

Felix Bender:

Man hat ja immer das Gefühl, ach so was würde man so gerne wieder machen, aber man merkt dann schon auch, sei es, dass wir wirklich mal außerhalb des Theaters spielen, ob es mal im Münster ist oder woanders in der Pauluskirche oder so. Oder in den Schulen, oder ob man mal was mit Ensembles der Stadt zusammen machen will, die nicht jeden Tag hier bei uns arbeiten auch die Kinder der Ulmer Spatzen zum Beispiel…

Das braucht einfach noch mal eine ganz andere Art von Organisation und logistischer Vorbereitung und das ist nicht ganz ohne. Also ich hab da eine große Dankbarkeit und vollen Respekt für alle hier im Haus, die das in die Hand nehmen und dann sozusagen immer die Wünsche der musikalisch ausführenden Personen berücksichtigen und das alles immer möglich machen. Also, Shoutout, vielen Dank an alle, die das immer so toll organisieren!

Christian Stolz:

Ein Teil deiner Position am Theater Ulm als  Generalmusikdirektor ist die musikalische Leitung von Produktionen, das Dirigieren. Kannst du dich erinnern, wann du zum ersten Mal in deinem Leben dirigiert hast? 

Felix Bender:

Natürlich also, was das professionelle Dirigieren anbelangt, schon sehr gut. Das sind also Meilensteine, die man auch irgendwie sich gut merken kann und die einen das ganze Leben über begleiten. Und ich weiß noch ganz genau, wo ich meine erste Oper im professionellen Orchester und Grabenbereich dirigiert habe oder wo ich zum ersten Mal vor einem Studentenorchester gestanden habe. Das war in Halle, meiner Heimatstadt. 

Aber wenn du jetzt mit dirigieren meinst, so zu Hause mal mit der Musik, mit der Aufnahme, so sich mitbewegen, das ist schon ewig her, und das kann ich dir auch nicht mehr genau sagen. Ich weiß nur, dass ich als Kind sehr viel Mozart gehört habe und sehr viele Mozart-Opern auch, da wurde dann das Video angestellt von irgendeiner Inszenierung, das konnte dann irgendwas eher klassisches sein, das konnte aber etwas sehr modernes sein. 

Ich weiß nicht, ich habe besonders oft den »Don Giovanni« von Peter Sellars gesehen, der in so einem ganz verdreckten Hinterhof spielt, fantastische Inszenierung und die hab ich rauf und runter geguckt und hab auch diese Sängerin im Sänger natürlich dadurch eingespeichert. Die hab ich also mit fünf Jahren immer geguckt und dann später ging es dann weiter und dann hab ich mich angefangen für Wagner zu interessieren, das war so mit 10 oder 11 und da bin ich dann vollkommen in diesem Universum da, wurde so reingesogen, und bin da total drin gewesen und bin dann damals noch in Halle zur Musikbibliothek gegangen, hab mir dann ein Video geholt vom »Rheingold« zum Beispiel, also vom »Ring«. Und noch einen Klavierauszug und  das da mitgelesen vor dem Video…

Ob ich da schon mitdirigiert habe, kann ich dir nicht genau sagen. Wahrscheinlich schon. Vermutlich schon, woran ich mich auf jeden Fall erinnern kann ist, dass ich das Zeug dann immer zu spät zurückgebracht habe, ich musste immer Mahngebühren bezahlen.

Christian Stolz:

Das kenn ich auch heute noch..

Felix Bender:

Inzwischen hat das sich ein bisschen gebessert, ja, aber heutzutage ist ja alles so anders und viel leichter zugänglich, ne, man drückt einmal bei youtube irgendwo drauf, man muss die Werbung kurz ertragen, aber danach hat man alles zur freien Verfügung, man klickt irgendwie zwei Seiten weiter und kann die Noten mitlesen. 

Also es hat sich schon vieles verändert und auch für viel Dirigenten meiner Generation, es ist tatsächlich das Kennenlernen von Stücken oder von Interpretationen, ist ja so viel leichter geworden.

Christian Stolz:

Einmal kurz nochmal den Schritt zurück. Das heißt, du hast wirklich schon mit fünf Jahren dir komplette Opern im Theater angehört und angeschaut? 

Felix Bender:

Ja, doch, auf jeden Fall, also meine allererste Oper, die ich gehört habe, war die Zauberflöte ist ein Klassiker, ja, aber die hab ich live gehört, da war ich fünf, das war im Goethe-Theater Bad Lauchstädt. 

Bad Lauchstädt ist ein ganz kleiner Kurort im Süden von Halle und nun, ich hatte dadurch, dass ich aus Halle komme, immer irgendwie natürlich ein enges Verhältnis zu diesem Haus. Ich war da als Kind mega oft drin, hab das Orchester auch ganz oft an Konzerten gehört oder die Orchester, es waren damals noch zwei und dieses in Bad Lauchstädt hat halt einen ganz tollen Kurpark und ein sogenanntes Goethe-Theater, weil  Johann Wolfgang von Goethe dort eben die Pläne da mitgezeichnet hat und das wurde dann im späten 18. Jahrhundert eröffnet und da wurden dann eben noch mit alten Kulissen und ohne Strom und so mit Kerzen, wurden da die da die »Zauberflöte« oder »Figaros Hochzeit« oder sowas aufgeführt und später, ein paar Jahre später dann, ich glaube, mit 11 habe ich auch selber in der gleichen Produktion den ersten Knaben gesungen. Also es war ein schönes Zurückkommen wieder.

Christian Stolz:

Ist es die Zeit, in der du in den Thomanerchor eingetreten bist?

Felix Bender:

Ja, das war dann sogar noch ein kleines bisschen später. Ich bin in Halle zuerst zum Stadtsingechor gegangen, das war auch eine tolle musikalische Ausbildung, da war nämlich auch gleich noch Instrumental- und Musiktheorieunterricht mit dabei. 

Also das ist eigentlich ein Modell, finde ich ideal für alle jungen Sängerinnen und Sänger und das ist etwas, wo man so viel mitnehmen kann und ich finde das wäre sowas, was man eigentlich irgendwie immer versuchen sollte, aber ich weiß wie schwierig das ist heutzutage beziehungsweise, was da alles noch dranhängt.

Und insofern bin ich weit davon entfernt, jetzt zu sagen, es muss immer so sein, aber ich kann sagen, ich hab davon total profitiert und der Stadtsingechor ist auch ein Chor, ein Knabenchor, der älteste weltliche Knabenchor der Welt. Von 1116 ja, aber da haben wir wirklich das ganz tolle große Repertoire gesungen. Also ich hab in der dritten Klasse angefangen, dort von Bach die Johannes-Passion, das Weihnachtsoratorium kennenzulernen, natürlich ohne wirklich jetzt die Noten schon perfekt verstehen zu können, aber ich konnte das dann durch Gehör und durch gutes Mitlesen und dann natürlich Repetieren, Nachlernen, konnte ich das dann auch alles mitsingen. Ja, und es war irgendwie ein Geschenk. Also ich bin so wirklich muss ich sagen, seit frühester Kindheit immer mit klassischer Musik in Berührung gewesen, das war eben vor allem Oper am Anfang, aber dann sehr schnell Oratorium und sakrale Musik und tatsächlich etwas später erst von Sinfonik und noch etwas später Kammermusik erst.

Genau dann vom Stadtsingechor, da bin ich ein paar Jahre drin geblieben in Halle, hatte dort auch Geigen- und Klavierunterricht beim Konservatorium, dort auch in der Schule, die auch mit dem Stadtsingechor, quasi im Verhältnis stand also gleich ein paar Häuser weiter, die Latina, ja, dann bin ich noch relativ spät eigentlich muss man sagen, mit 14 durch einen Zufall bin ich bei den Thomanern noch irgendwie zum Vorsingen gekommen. 

Bei mir war es auch so, ich war sehr lange noch Sopran, also ich bin sehr spät in den Stimmbruch gekommen. Das war eigentlich eher ungewöhnlich und es wird heute noch viel ungewöhnlicher sein, weil es alles immer noch viel früher und schneller geht, aber ich hab also relativ lange dem Thomanerchor sogar noch als zweiter Sopran relativ stark und laut noch helfen können und die hatten gerade auch Bedarf und dann auf einmal war ich da drin und bin da auch bis zum Abitur geblieben, noch einige Jahre und bin dann dort auch natürlich eine Männerstimme geworden. Erstmal so ein typischer Bass 1 der keine Höhe und keine Tiefe hat, Tonumpfang von der Quinte vielleicht…

Aber ich weiß nicht, ob man das noch Singen nennen konnte. Es war eher krächzen, glaub ich, im Bassbereich und dann hat sich die Stimme noch mal sehr verändert. Inzwischen bin ich viel höher, bin ich wahrscheinlich eher so ein zweiter Tenor oder sowas. Gut. Und dann bin ich da im Stadtsingechor gewesen zuerst, im Thomanerchor gewesen und dann war auf einmal Abitur und dann musste man sich entscheiden wie geht es jetzt weiter.

Christian Stolz:

Und diese Abiturzeit, das war die Zeit, wobei dir klar wurde, es geht bei dir musikalisch nicht nur durch die Leidenschaft in der Jugend und Kindheit, sondern jetzt wirklich in eine ganz professionelle Richtung, beruflich. Kam dieser Impuls ganz von dir, von innen oder hattest du irgendwelche Lehrer oder so die gesagt haben, du, das wäre doch was für dich, kannst du dich an die Zeit noch erinnern?

Felix Bender:

Ja, ich kann mich gut erinnern. Also weil natürlich die klassische Musik schon in diesen frühen Jahren so eine große Rolle eingenommen hat, war das irgendwie was, mit dem ich immer irgendwie gelebt habe, und das war irgendwie was, wo mir dann klar wurde, das ist eine meiner Leidenschaften und vielleicht auch eines meiner Talente sozusagen, und war so für mich selber noch gar nicht so richtig klar, was ich dann genau machen wollen würde. Also das war jedenfalls noch in der Stadtsingechor Zeit. Ich war immer sehr interessiert am Gesang und ich singe auch heute noch gerne, nicht gut, nicht schön, aber ich singe immer noch und wenn die Profisänger hier dann mal irgendwie von mir eine kleine Kritik kriegen oder irgendwie ich einen Vorschlag habe, dann versuch ich das auch immer vorzusingen und ja ich weiß nicht ob sie innerlich vielleicht lachen oder nicht, ich weiß es nicht, ich geb’ mir immer mühe und es macht mir immer noch großen Spaß und wenn man dann irgendwie doch mal so Gelegenheiten hat irgendwie Chor mal mitzusingen, dann dann mache ich das auch sehr gerne. 

Christian Stolz:

Dazu kann ich auch sagen, wenn man dich singen hört und so, auch wenn du bei der Probe dann mal etwas vorsingst und so, ich finde man merkt bei dir immer, das hat eine total starke Interpretation, also du drückst ja damit aus was du möchtest oder wie du diese Passage oder wie auch immer hörst, oder wie du sie siehst. 

Felix Bender:

Und das kommt dann vom Dirigieren wahrscheinlich. Also das ist dann sozusagen die musikalische Übersicht, würde ich sagen oder so eben der Interpretationswillen und vielleicht kann ich das dann auch gesanglich ungefähr so darstellen, wie ich’s dann auch gerne hören wollen würde.

Aber ich glaube, das bringt es ja auch nur so. Weil, also, ich würde sagen, das muss man auch so machen, weil die Sängerinnen und Sänger ja niemand brauchen, der ihnen das da irgendwie vorkrächzt und dann irgendwie versuchen das besser zu machen. Im Gegenteil, ich denke, das bringt denen nur was, wenn man das irgendwie dann auch wertig irgendwie vorträgt und ihnen auch klar macht, wo es hingehen soll. 

Genau deswegen war es für mich immer unklar, ob ich eben Sänger werden kann, will, ob die Stimme das mitmacht und wie wir jetzt wissen, hat das nicht mitgemacht. Nur so im Hobbybereich. Aber es war für mich immer: Sänger oder Dirigent? Eines von diesen beiden Aufgabenfeldern. Und das mit dem Dirigieren, das hat irgendwie relativ schnell ganz gut funktioniert. 

Da hat vielleicht auch die Ausbildung dann in dem Thomanerchor noch mal gut geholfen, weil man da eben nicht nur musikalisch sehr, sehr exquisit ausgebildet wird, sondern weil man auch, so viel, ich glaube, soziale Kompetenzen noch mitbekommt, dieses Zusammenleben im Internat mit 90 anderen Jungs, schon mal das erste, dann mit den Lehrkräften respektvoll umzugehen, insgesamt mit den Erwachsenen, auch unseren Besuchern und den Eltern, die dann kommen, dass man immer grüßt und solche Sachen, die vielleicht jetzt so wie selbstverständlich klingen würden, aber die sind es einfach nicht und heutzutage erst recht nicht mehr. Und deswegen hab ich da ganz viel mitgenommen, glaube ich und vielleicht ist es auch was so eine Offenheit die man da mitkriegt, die mir jetzt auch vor den verschiedenen Orchestern auch hier, natürlich bei uns in Ulm oder im Kontakt mit dem Publikum hier auch hilft.

Einfach diese Offenheit. Ich versuche einfach immer irgendwie, dass es nicht aufgesetzt wirkt. Ich will versuchen, irgendwie so zu sein, wie ich bin und wem das gefällt, dann ist das schön, wenn es nicht so gefällt, das kann ich auch nachvollziehen, das ist dann so.

Aber so eine gewisse, ich sag mal, authentische Ausdrucksform, die ist mir immer sehr wichtig. 

Christian Stolz:

Und du hast in Weimar dann Dirigieren studiert. Wie schwer war es, zu diesem Studium aufgenommen zu werden?

Felix Bender:

Also ich glaube schon, dass die Aufnahmeprüfungen für das Fach Dirigieren, also Chor und Orchester und/oder Orchester dirigieren, wirklich fast zu den härtesten gehören, was im Musikbereich in den Aufnahmeprüfungen geleistet werden muss. Nicht, weil ich sagen würde, dass jetzt Klavier oder Geige leichter sei, im Gegenteil, da muss man auch viel spezialisierter sein, um gegen die große Konkurrenz anzukommen, aber in der Aufnahmeprüfung für Dirigieren wird schon so eine breite Palette abverlangt und abgefragt, das gibt es, glaube ich, in keinem anderen Fach. 

Es ist ja auch nachvollziehbar, weil der Dirigent eben so viele verschiedene Gebiete abdecken muss und so viele Kompetenzen sich irgendwie aneignen muss und deswegen geht es also wirklich da nicht nur um das reine Dirigieren, man muss natürlich fantastisch Klavier vorspielen oder adäquat ein anderes Orchesterinstrument sehr gut beherrschen können und man wird sofort in Gruppenkompetitionen geprüft. 

Man spielt also selber eine Szene am Klavier, singt selber dazu in einer fremden Sprache, man muss Partituren spielen, man muss vom Blatt spielen, man muss Gesangs- und Sprecherziehung Aufnahmeprüfung machen, Gehörbildung, musikalisches Grundwissen, natürlich braucht man alles, ja, Italienisch… Also ich glaube die Palette ist wirklich riesig und deswegen ist es, glaub ich, relativ schwer da reinzukommen, zumal es an den deutschen Hochschulen zwar relativ oft das Fach Dirigieren, gibt aber meistens mit keinen so ganz großen Klassen.

Und in Weimar, damals, wo ich aufgenommen wurde, da gab es zwei Plätze und 60 Bewerber, also nur mal so, um das Verhältnis klar zu machen. Oder in Berlin, also an der Hanns Eisler, habe ich es auch versucht, da gab es einen Platz, ja, da muss man mal gucken. 

Ich hatte dann irgendwie Glück, beim ersten Mal habe ich auf gut Glück einfach nur Berlin gemacht, weil ich eigentlich unbedingt nach Berlin wollte, zu einem ganz gewissen Lehrer. Bei dem ich privat damals Unterricht hatte, nämlich GMD Professor Rolf Reuter, der war ganz lange Chef, auch in Weimar übrigens, aber auch in der Komischen Oper in Berlin. 

Gut, und da war es eben, da gab es diesen einen Platz, den hab ich nicht geschafft und dann, ja, danach hab ich es dann an mehrere Hochschulen probiert, was viel schlauer ist, natürlich, und dann hatte ich tatsächlich sogar die Auswahlmöglichkeit, dann hab ich mich für Weimar entschieden, obwohl ich dann hätte nach Berlin gehen können, aber ich hab mich dann doch für Weimar entschieden. Das hat mir so gefallen dort, das erste Hinkommen und und Hospitieren bei den Lehrern, das sollte man auf jeden Fall machen, also kann ich nur allen jungen Leuten empfehlen, die Dirigenten oder Dirigentinnen werden wollen.

Vorher die Hochschule ein bisschen angucken und die Professoren anschreiben und probieren, da schon mal sich mit reinsetzen zu können und hospitieren zu können. 

Christian Stolz:

Wie viele wart ihr in eurem Studium in eurer Klasse, sag ich jetzt mal? Und hast du mit den Leuten noch Kontakt, also weißt du wie die verschiedenen Wege da verlaufen sind?

Felix Bender:

Ja total. Also gerade in Weimar, wo es eigentlich doch sehr familiär zuging und es war eine sehr gute Ausbildung die auch, glaub ich, hoch angesehen wird, aber insgesamt war es vielleicht auch ein bisschen durch die Stadt.. wir waren alle so nah beieinander, das war alles sehr freundlich, immer sehr sehr zuvorkommend und gar nicht so sehr jetzt von ganz großen Rivalitäten oder an Konkurrenzdenken geprägt.

Ich weiß aber, dass das in anderen Hochschulen durchaus sehr anders sein kann. Und ich habe mit vielen noch Kontakt und gerade die Weimarer Kolleginnen und Kollegen sind wirklich immer gut dabei, haben tolle Jobs und schöne Engagements und das kann man dann auch immer schön noch im Internet nachverfolgen und dann schreibt man sich mal. Neulich haben wir uns alle mal getroffen in Weimar, weil unser Professor, unser langjähriger Professor, Herr Pasquet, der wirklich tolle Arbeit mit uns geleistet hat, der wurde dann verabschiedet nach, ich glaube, fast 30 Jahren als Professor. Und der hat ja auch ganz viele Leute geprägt, und da waren wir alle da und haben noch mal für ihn gesungen. Und da wieder eine Möglichkeit für mich, mich dann vokal zu äußern und das war wirklich schön. Ganz toll. 

Wir waren ungefähr, na ja, kann ich schwer sagen, wir hatten drei Professoren, zweimal für Orchester Dirigieren, einmal Chor Dirigieren, aber vielleicht 20 Menschen insgesamt, aber in meinem Jahr werden eben nur zwei aufgenommen, zum Beispiel. 

Christian Stolz:

Es gibt dieses schöne Ritual vor einem Konzert oder vor einer Opernvorstellung: Das Publikum sitzt, das Orchester sitzt, der Vorhang ist noch unten, das Licht wird gedimmt oder geht schon aus, und dann kommt der Dirigent herein, im Orchestergraben und stellt sich vor das Orchester. Es gibt einen Applaus und ich glaube, viele Leute können sich nicht richtig vorstellen, wie ist dieses Gefühl, vor einem Orchester zu stehen und dann, dass es bald losgeht mit dem Stück, mit der Komposition…

Felix Bender:

Und Du möchtest das von mir wissen, wie sich das anfühlt? 

Christian Stolz:

Das möchte ich wissen!

Felix Bender:

Das ist gar nicht so einfach beschreiben, also es kommt ein bisschen auf die Grundsituation an. Also gerade jetzt beim dem Tournemire zum Beispiel, der wahnsinnig anspruchsvoll für alle war, für alle Sängerinnen und Sänger, für alle Musikerinnen und Musiker, alle auf der Bühne hinter der Bühne, auch für mich. Die Partitur war wahnsinnig kompliziert, da war ich mal wieder richtig nervös.

Ansonsten kann ich inzwischen doch auch vieles vertrauen auch und auch auf die gute Zusammenarbeit hier in Ulm. Wenn ich das jetzt mal so ganz flapsig sagen kann, ich fühle mich hier von den Künstlern, auch vom Orchester, sehr gut verstanden, also ich kann mich drauf verlassen, wenn ich mich hinstelle und dann eben so den Auftakt gebe und da meinen künstlerischen musikalischen Willen oder meine Interpretation versuche zu vermitteln, kann ich mich sehr darauf verlassen, dass alle ihr Bestes geben und dann wirklich auch dahinter stehen und das versuchen, zu erfüllen. Also das macht natürlich große Freude.

Es ist immer ein bisschen was anderes beim Dirigieren, und wenn man zum Beispiel bei einem anderen Orchester dirigiert, dass man nicht so gut kennt oder sogar debütiert, weil man noch nie dort war, dann weiß man noch nicht so richtig, worauf man sich einstellen muss. Ne, wie man mit denen am Besten umgeht. Da hab ich auch irgendwie einen ganz guten Weg jetzt inzwischen gefunden, glaub ich und das aller Spannendste, wo man wirklich zittert, glaub ich, sind so Einspringer oder Nachdirigatur ohne Probe. 

Das müssen wir machen. Anders als alle anderen Musikerinnen und Musiker können wir unseren Job ja nicht so richtig üben zu Hause. Wir können irgendwie natürlich am Schreibtisch sitzen und uns das dann vorstellen, wie das werden soll, wie es klingen soll und ein bisschen schon gucken, worauf es in der Probenarbeit hinauslaufen soll. Aber das eigentliche Dirigieren an sich, also das reine Handwerk, kann man im Grunde in unserem Job zusammen mit anderen erleben, und das ist in dem Fall entweder ein Chor oder ein Orchester, das wir dann leiten, und deswegen gibt es auch immer wieder natürlich auch Unbekannte, und wenn man dann eben jetzt so eine Vorstellung zum ersten Mal dirigiert, wo man die Sänger nicht kennt, man kennt die Inszenierung nicht, man weiß nicht, wie gut, schnell oder langsam das Orchester reagiert auf den Schlag des Dirigenten, spielen sie sehr mit dem Schlag, spielen die etwas hinter dem Schlag vielleicht also, dass der Klang wirklich später erzeugt wird als das, was der Dirigent gerade vorschlägt. Das ändert doch vieles auch an dem wie man, wie man so eine Opernaufführung oder eine Konzertaufführung dann genießen kann. 

Ich hab jetzt neulich den »Rosenkavalier« in Karlsruhe delegiert, das war wirklich sehr aufregend, weil es wirklich auch ein sehr schweres Stück ist. Da hab ich dann doch wieder auch ein bisschen Nervosität gehabt, aber ansonsten fühle ich mich inzwischen sehr sehr wohl und mach das total gerne und vor allem freue ich mich dann, selbst wenn die Nervosität da ist, oder da war, sobald der erste Accord beginnt oder der erste Auftakt kommt, dann bin ich voll drin und dann denk ich auch an nichts anderes mehr, dann bin ich nur noch bei der Musik und bei meinen Mitspielerinnen und Mitspielern. Dass wir dann irgendwie gemeinsam das bestmögliche Ergebnis, oder Erlebnis erschaffen können.

Christian Stolz:

Ich glaube, dieses Handwerk, dieses Amt des Dirigenten, das ist etwas, vor dem das Publikum auch einen ganz großen Aspekt hat. Man sieht dich ja, bei Konzerten sowieso, bei der Oper, sehen dich auch viele Leute, was du tust… Du hast gerade schon so ein paar kleine Momente genannt, was zu deinem Handwerk quasi gehört, kannst du noch mal ein bisschen plastisch machen, was genau passiert, während so eines Dirigats, wie siehst du deine Rolle als Musiker bei so einer Vorstellung, bei einer Probe auch als Dirigent?

Was passiert da und wofür genau bist du konkret zuständig? 

Felix Bender:

Also ich glaube schon, dass der Beruf des Dirigenten vor allem eine Art von Vermittler sein muss. Ich bin eher weiter davon entfernt, dass ich den Dirigenten als jemand sehe, der dann so kommt und auf eine existierende Orchesterpraxis oder Kultur, auf eine existierende Tradition so seinen Stempel unbedingt drauf drücken muss, der irgendwas Neues unbedingt erzeugen muss, koste es was es wolle oder irgendwas verbieten muss, damit es dann genau in seinem Kopf richtig klingt. 

Ich gucke auch immer, was mir entgegengebracht wird und was die Partitur des jeweiligen Stückes vorgibt. Und dann bringe ich sozusagen die mal mehr oder mal größer oder kleinere Expertise meinerseits mit ein, um zu dem bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Und für mich ist es dann, glaube ich, das Wichtigste irgendwie als jemand da vorne zu stehen, der mit den Menschen, die beteiligt sind, spricht und auch zuhört und entgegen nimmt und ihnen auch zuhört beim Musizieren und das dann verwendet und vielleicht auch verwandelt, manchmal. Und deswegen finde ich das so schön, dass wir hier in so einem guten Austausch sind und das betrifft natürlich nicht nur das Orchester. Das betrifft besonders dann in der viel längeren Probenarbeit, nämlich eigentlich mit den Sängerinnen und Sängern und mit dem jeweiligen Regisseur oder der Regisseurin, also wie man zu einer gemeinsamen Interpretation findet, und ich glaube, das ist das Entscheidende beim Dirigenten, ne und ich sehe mich immer so ein bisschen auch, das klingt jetzt vielleicht platt, aber ich sehe mich immer als Diener der Musik, dann auch und ein Diener des Komponisten. 

Also wenn ich jetzt diese unglaubliche Chance, habe im nächsten Jahr einen Mozart-Oper, eine Donizetti-Oper und eine Wagner-Oper zu dirigieren, also besser geht es ja kaum, schon mal. Und dann versuche ich natürlich jedes Stück zu seinem individuellen Glanz zu verhelfen und auch den Stil so gut wie möglich zu erfüllen. Und da ist es, glaube ich, dann meine Aufgabe, vielleicht auch die verschiedenen Wege, die jeder einzelne individuell im Orchester oder auf der Bühne mitbringen möchte, zum jeweiligen Stück, jeden individuellen Zugang so zu kanalisieren, zu vereinen, hin und wieder auch mal was zu korrigieren, zu kritisieren, aber grundsätzlich das zusammenzuführen und dann, dass wir am Ende alle an einem Strang ziehen. 

Christian Stolz:

Und es gibt viele Dirigenten, die natürlich auch freiberuflich tätig sind, und das ist bei dir, glaube ich, wie auch bei einigen anderen das Besondere: Du bist ab 2009 bis 2013, warst du 2. Kapellmeister am Deutschen Nationaltheater Weimar und dann von 2013 bis 2018 1. Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor am Theater Chemnitz. 

Also Positionen, wo du dann durchaus auch den Spielplan mitbestimmen konntest, wo du eigene Akzente setzen konntest an diesen Häusern. Das macht dir wahrscheinlich auch viel Spaß, oder? Neben dem, was du selber dirigieren kannst, auch die Gesamtausrichtung, sag ich mal, eines Hauses mitzugestalten. Das kommt dann bei dir noch dazu. 

Felix Bender:

Das ist natürlich hier in Ulm nochmal was ganz Besonderes, das ist ja meine allererste Chefstelle und ich hatte immer das Gefühl, auch an diesen, von dir gerade genannten Häusern, an denen ich sehr gerne und gut gearbeitet habe, mit wirklich wunderschönen Ergebnissen und Erlebnissen, je nachdem, wo ich sozusagen stand in der jeweiligen Hierarchie der Dirigenten oder auch insgesamt der künstlerisch Verantwortlichen, da konnte ich mehr oder weniger, sozusagen miteinbringen. 

Ich hab auch immer so das Gefühl gehabt, dass ich wahnsinnig viel Lust drauf hätte, selber was entstehen zu lassen und zu gestalten und dass ich jetzt hier in Ulm gewählt wurde, dass ich hier die Chance hab, das so mitbestimmen zu können und auch Vorschläge zu machen, den Spielplan oder irgendwelche anderen Entscheidungen mit beeinflussen zu können, das nehme ich wirklich als ganz großes Geschenk an und das macht mir auch riesen Spaß und deswegen macht mir das auch immer so wahnsinnig viel Spaß, diese Konzertprogramme zu planen und zu organisieren. Ich bin jetzt schon eigentlich in meinen Gedanken drei Jahre weiter. Ich habe eigentlich schon, wenn man so will, mit mit Abstrichen, aber ich hab im Grunde schon für mich im Kopf, welche Stücke so, oder welcher Ablauf nächsten Jahren dann kommen sollte, wenn es nach mir geht, sozusagen.

Das kann ich natürlich jetzt hier in Ulm wirklich toll machen und das erfüllt mich schon, muss ich sagen. 

Christian Stolz:

Du hast gerade schon gesagt, dass so eine Produktion ja nicht mit den Orchesterproben besser beginnt, sondern es geht ja auch oft um die Korrepetition mit den Sängern und die Vorbereitung mit den Sängern.. Du hast mehrere Produktionen in einer Spielzeit. Musiktheaterproduktionen, dazu kommen natürlich die Philharmonischen Konzerte. Wann beginnt denn für dich auch persönlich, wahrscheinlich mit der Partitur, die Vorbereitung für ein neues Stück, wie weit im voraus vor einer Premiere?

Felix Bender:

Also wahrscheinlich immer viel zu spät. Das kommt aber einfach dadurch, dass der Plan wirklich immer voll ist. Wir haben hier doch ein ziemlich eng gestaffeltes Stücknetz. Das bedeutet schon auch für uns Dirigenten, wir sind ja mehrere im Team hier, aber auch für alle, die sowieso musikalisch tätig sind, relativ kleines Sängeremsemble, relativ keiner Chor, eigentlich auch immer noch ein zu kleines Orchester, dass wir immer dran sind, wir sind immer gefordert, ja, und das heißt auch, man hat vielleicht manchmal ein bisschen weniger Vorbereitungszeit, als man es vielleicht machen sollte oder bräuchte. 

Also es kommt ein bisschen drauf an, bei dem Tournemire zum Beispiel, oder bei »Elektra« hab ich es mir schon ein bisschen früher angeguckt, aber den »Idomeneo«, den kenn ich so gut schon von sich aus und der lebt sozusagen das, das spricht mich sofort an, es spring mich an aus der Partitur…Da kann ich viel auch im Moment dann einfach zusammen mit dem wirklich tollen Regisseur oder mit den Sängerinnen und Sängern erschaffen und dementsprechend kann ich das gar nicht so allgemein sagen, aber also ich empfehle früher als später damit anzufangen..

Und manchmal hat man wirklich so Phasen, das hatten wir auch schon in Chemnitz, hat sich das schon mal ergeben oder auch schon in Ulm hier, dann ist man nur am büffeln und man sitzt dann halbe Nächte noch, um überhaupt hinterherzukommen, weil man gerade hier dieses große Sinfoniekonzert hatte mit einem mit einem ganz schweren Programm, da kommt auch schon die nächste Ballettproduktion, da kommt sofort die nächste Oper, sofort wieder, also das war jetzt zum Beispiel gerade diese Saison, von Ende März bis Anfang Juni, habe ich eigentlich durchgearbeitet, da habe ich überhaupt keine Zeit zum Atmen gehabt, und da habe ich wirklich manchmal bis nachts tief gesessen an meinem Schreibtisch, um überhaupt, sozusagen, den Stand erreichen zu können, dass ich hier seriös, professionell arbeiten kann und dass ich auch den anderen irgendwie da in dem Fall, in dem Sinne, nicht so Last falle, sondern eher wirklich inspirieren und motivieren kann, das hat auch immer geklappt. 

Aber es geht ein bisschen auf Kosten von eben Freizeit zum Beispiel, die gibt es manchmal gar nicht, muss ich ganz ehrlich sagen..Und manchmal geht es dann schon wieder besser natürlich. 

Christian Stolz:

Und kannst du einen kleinen Einblick darin geben, so ein Spielplan für eine Saison in Konzert und Musiktheater. Wie setzt der sich bei dir zusammen und kannst du dir auch selber aussuchen, was du da selber dirigierst?

Felix Bender:

Also ich hab natürlich hier mit Herrn Metzger einen ganz tollen Partner als Intendanten, der sich ja auch selber wahnsinnig gut auskennt und tolle, also ich finde auch tolle Ideen selber hat die wir dann zusammen auch ausarbeiten und dann bringe ich auch Sachen rein, durchaus ne. 

Also wir sprechen da ganz offen zu zweit drüber, wo das Ensemble vielleicht sich hin entwickelt, wen man noch mal so eine größere Aufgabe geben könnte oder sollte, was vielleicht aber auch interessante Stücke insgesamt sein könnten, was das Publikum interessiert. 

Von mir ist zum Beispiel, jetzt einfach mal ein Exempel, also ein Beispiel ist dieser Donizetti Zyklus, den wir gerade machen, den hab ich ja angeregt, dass wir diese drei Tudor-Opern in meiner Spielzeit 3/4/5 sozusagen hier ansetzen, und da haben wir schon zweimal sehr schöne Erfahrungen sammeln können: »Anna Bolena« und »Maria Stuarda« waren wirklich tolle Produktionen, die gut beim Publikum ankamen und die auch mit unseren Sängerinnen und Sängern, allen voran Maryna Zubko in den Hauptrollen, ja wirklich super besetzt waren und nächstes Jahr kommt dann sozusagen noch eine Stufe drauf, die letzte Tudor-Oper »Roberto Devereux«. 

Aber zum Beispiel »Die Meistersänger von Nürnberg«, das war Herr Metzgers Wunsch und da haben wir lange diskutiert drüber, weil das Stück natürlich auch wahnsinnige Anforderungen in sich birgt und ich bin natürlich wahnsinnig froh, dass ich das dirigieren kann. Aber es gibt doch viele Hürden, also die riesige Besetzung, die riesigen Chöre, das sehr lange Stück: Im Orchester muss man einige Positionen auswechseln, weil das einfach dann nach so einer gewissen Zeit, kann man einfach nicht mehr weiterspielen, wenn man so platt ist und in dem Sinne gibt es da sehr viel zu entscheiden und konkret zu machen und da diskutieren wir ganz ehrlich miteinander und wir hatten beide Lust, das zu machen und haben eben versucht zu gucken, wie man diese Schwierigkeiten überbrücken kann. 

Das haben wir jetzt auch gut geschafft, deswegen bin ich auch ganz stolz drauf, dass wir das jetzt nächstes Jahr spielen und dann gibt es »Idomeneo« zum Beispiel, was jetzt die nächste Premiere wird, also die erste Spielzeitpremiere im September, das war mein ganz expliziter Wunsch, weil ich wollte unbedingt, dass wir wieder mit dem Mozart hier starten und die großen Da-Ponte-Opern sind alle in den letzten Jahren gelaufen und »Idomeneo« erachte ich für eines der besten Stücke, was Mozart je geschrieben hat. 

Und es war auch sein persönliches Lieblingsstück tatsächlich, und da hab ich mit Herrn Metzger eine Weile diskutiert darüber, weil ich ihm das bestimmt schon vor über zwei Jahren schon das erste Mal genannt habe, dass das doch für uns gut wäre. Wir können nämlich tatsächlich eigentlich jede Partie hier aus dem Ensemble besetzen, das ist doch sensationell eigentlich, und jetzt machen wir es und da freue ich mich sehr drüber, das hat also auch so ein bisschen wieder meine Handschrift auch. 

Und im Konzert ist es so, dass ich einfach für mich selber überlege, was könnte das Spielzeitmotto sein? Sie wissen ja vielleicht also, dass ich da jedes Jahr nur so einen Oberbegriff, dann so drüber setze. Und dann kann man daraus irgendwie einen schönen Spielplan schöpfen. Meistens so eigentlich ein Jahr vorher, bevor es dann losgeht, bin ich schon in den letzten Zügen und frage dann schon die Solistinnen und Solisten an. Aber, wie vorhin schon angedeutet, das ist bei mir jetzt eigentlich schon im Kopf schon viel weiter.

Christian Stolz:

An solch einem Stadttheater wie hier in Ulm geht es ja auch sicherlich immer darum, eine Bandbreite von verschiedenen Stilrichtungen, von Genres, innerhalb des Musiktheaters anzubieten, auch dass man Opern aus verschiedenen Epochen hat, dass man Opern mit verschiedenen Sprachen hat, also eine Bandbreite, eine Vielfalt in die Breite, das bieten wir an. Es gibt aber auch sicherlich einen persönlichen Geschmack von dir, Opern, die du besonders gerne einmal dir regieren würdest. Oder Stilrichtung, wo du sagst, da bin ich, da fühl ich mich sehr zu Hause, welche wären das bei dir?

Felix Bender:

Hab ich auch schon drüber nachgedacht und ich muss sagen, ich bin eigentlich recht leicht begeisterungsfähig für die jeweilige Musik um die es geht, vielleicht kann es auch so sagen, die Musik, die ich gerade dirigiere, die Oper, die ich gerade einstudiere, ist dann immer in dem Moment mein Lieblingsstück. Und ich würde mich gerne eigentlich versuchen, nicht jetzt auf einige Stile zu sehr zu spezialisieren, obwohl man das auch gut machen kann und das auch großen Spaß macht. Aber dann verwehre ich mir ja andere Stile wieder oder ich will mir dann die Chancen auch nicht wegnehmen.

Also ich komm eigentlich aus der Barockmusik und deswegen, also wenn es eine Barock-Oper gibt und die Möglichkeit, da würd ich es gerne selber dirigieren. Wir haben es jetzt schon in meiner Zeit ebenfalls zweimal gemacht mit »Amadigi di Gaula« von Händel und gerade jetzt dieses Jahr »Lacrimae«, dieses Pasticcio-Programm im Podium und eigentlich ist die Musik von »Idomeneo« auch noch sehr barock angehaucht. Das kommt sehr aus der Tradition. Insofern liegt mir das schon mal sehr nahe, aber ich würde jetzt nie versuchen, nur Barockmusik zu dirigieren. 

Ich liebe eigentlich auch Belcanto-Opern sehr, wenn man die Sänger so auf Händen tragen kann, Wagner oder Verdi, ich liebe Wagner, jetzt hatte ich neulich die Chance, eben »Elektra« zu dirigieren, von Strauss, gibt kaum ein besseres Stück, und es ist einfach fantastisch, und wenn es Möglichkeiten gibt, auch mal Ausgrabungen zu tätigen, das wissen auch die Damen und Herren, die in unseren Orchesterkonzerten drin sitzen, dann nutze ich die gerne aus, also ich, ich würde schon sagen, dass ich versuch, auf allen Hochzeiten relativ gut mitzutanzen und aber jetzt nie eine rauspicken würde. 

Und was Stück angeht, dann muss ich erstmal sagen, großes Kompliment hier, wir machen wirklich auch die Zeit bevor ich hier war mit meinem Vorgänger Herrn Handschuh und auch dem Vorgänger von Herrn Metzger, Herr von Studnitz, die haben wirklich sehr gut abgegrast, also sind wirklich sehr viele tolle Stücke hier gelaufen, da muss man schon sehr genau gucken, wann man wieder das nächste Stück eben spielen kann. Manchmal klappt es auch, dass man sagt, Oh, das ist aber 30 Jahre nicht gelaufen, dann machen wir das natürlich, ja, wie »Idomeneo« zum Beispiel und manchmal muss man sagen, ja »Figaro«, können wir jetzt nicht noch mal spielen, das lief gerade erst oder »Don Giovanni« oder so. Jetzt bei Mozart zum Beispiel.

Also ein Stück, wo ich ein ganz kleines bisschen traurig bin. Das ist das einzige vielleicht, wo ich sagen würde, ach wie schade, das der Herr Handschuh hier schon sehr erfolgreich von Francis Poulenc »Dialogues des Carmélites« dirigiert hat, also eine Oper aus den späten 50er Jahren, französische Oper, die ich mit zum besten zähle, was gerade im 20. Jahrhundert als Musiktheater auf die Bühne gebracht werden kann, und das hätte ich wahnsinnig gern mal dirigiert, muss ich vielleicht noch warten. Ich hab das auch schon in Chemnitz und in Weimar vorgeschlagen. Und dann hieß es immer: Ach, Herr Bender, wär eine tolle Idee, aber wir machen doch erst mal noch was anderes und dann ist das nie gekommen. Und ich denke man dann immer: Mann, wann kann ich dieses Stück endlich dirigieren? 

Also ja für alle die das jetzt hören außerhalb, wenn Sie mal einen Dirigenten für »Dialoge der Carmeliterinnen«, ich stünde bereit.. 

Christian Stolz:

Ich hab auf jeden Fall große Lust es jetzt zu hören. 

Felix Bender:

Es ist ein fantastisches Stück mit einer unglaublichen Schlussszene. Also das sucht seinesgleichen, glaube ich vielleicht so ein bisschen auch Richtung »Don Giovanni«, »Don Giovanni« hat ja wahrscheinlich die großartigste Schlussszene allerzeiten, in der dann der steinerne Gast kommt und die drei Bässe sozusagen ein Bass Terzett singen und Don Giovanni dann unter den Rufen des Chores in die Hölle runtergezogen wird. Also das ist Musiktheater at its best, wirklich und ein bisschen so ähnlich ist es auch bei den »Dialogues des Carmélites« da gibt es also, es ist eine Revolutionsgeschichte, vielleicht haben Sie es hier gesehen, in Ulm im Theater. Und es geht um einen einen Orden, einen Klosterorden von Nonnen, in Compiègne, im Norden von Paris. 

Und damals war dann eben die Zeit der Säkularisation aufgrund der französischen Revolution, und die sollten alle enteignet werden und ihrem Glauben abschwören und diese Nonnen, das ist auch historisch verbrieft, das war wirklich so, ja, die gab es auch, die haben dann im Geheimen trotzdem weiter ihren katholischen Glauben praktiziert, wurden dann denunziert und sind dann festgenommen worden und sind dann alle unter der Guillotine gefallen und sind dann, so sagt die Legende, singend auf das Schafott getreten, haben dort ein Salve Regina gesungen. Das hat den sehr religiösen Komponisten Francis Poulenc fasziniert. Und er hat da eben diese ganze Geschichte mal ausgespannt anhand einer Titelfigur, die auch sehr interessant ist, Blanche de la Force, die hat damals Maria Rosendorfsky hier gesungen, die wirklich auch eine ganz psychologisch interessante Figur ist, die eigentlich eine sehr angstvolle Person ist, die eigentlich, ja, ich würde sagen, heutzutage immer am Rande des Nervenzusammenbruchs steht oder neurotische Zwänge hat und dann am Ende eben freiwillig mit auf dieses Schaffort tritt und dann mitsingt und so ihre Angst besiegt.

Und diese Schlussszene, da hört man richtig, wie der Wagen auf den Platz gefahren kommt mit so einem Ostinato-Motiv im Bass. Obendrüber kommt dieser wirklich wunderschön intonierte Gesang des Salve Regina und das unterbricht dann immer das Fallbeil im Orchestergraben. Jedes Mal wird es eine Stimme weniger.

Christian Stolz:

Das ist ja sowieso eine spannende Koinzidenz zwischen Religion und Oper, also auch jetzt gerade, du hast gerade schon »Le petit pauvre d’Assise« erzählt, auch dort natürlich Religion, ein ganz starkes Thema, in den Wagner Opern sowieso und ich glaube auch bei dir so eine kleine Linie oder die sich auch durch die Opern zieht, die du hier schon dirigiert hast, auch sakrale Werke natürlich im Konzertfach also durchaus auch eine spannende Koinzidenz, oder von zwei Themenbereichen?

Felix Bender:

Ja gut, es ist natürlich ein Thema, was die Musik wahnsinnig stark betroffen hat, immer schon über Jahrhunderte hinweg. Ich meine stellen wir uns Bach ohne Kirche vor, das geht gar nicht, auch Händel ja, obwohl es bei beiden natürlich weltliche Werke auch gibt, aber das nimmt ja den, vor allem bei Bach, den Großteil des Schaffens ein. 

Ja, die spirituelle, sakrale Musik. Ja, und insofern bin ich damit schon ganz früh in Kontakt geraten und ja, es gibt halt auch in den Opern, auch jetzt in der Zusammenarbeit mit Herrn Metzger immer wieder dieses Thema. Wenn es aufkommt, bedienen wir das gerne, dann kann auch jeder sozusagen, der mitwirkt kann auch glauben oder nicht, dass es ganz freigestellt, aber jetzt bei dem Tournemire hat man gesehen, obwohl das ein sehr religiöses Stück ist und es immer eine sehr klare spirituelle Figur geht, den Heiligen Franziskus, ist das doch auch ein Stück, was ganz viele andere Themen mit betrifft und aufwirft, ja und Fragen aufwirft.

Und insofern ist das dann für mich in dem Moment gar nicht das schwerwiegendste Thema, sondern ich gucke eben, wie das Stück an sich wirkt und lebt. Aber vielleicht hast du recht, vielleicht ist es so ein bisschen so, dass man die Leidenschaft auch für Bach gerade, dass das aus der Erziehung oder Ausbildung schon so kommt.

Christian Stolz:

Jetzt haben wir gerade schon so verschiedene Bereiche deiner Position als Generalmusikdirektor abgegangen, sag ich mal. Das musikalische Leiten von Produktionen, die Planungsarbeit, die Leitungsarbeit, also quasi die langfristige Vision im Bereich Musik des Hauses.. Was sind denn noch Aufgaben eines Generalmusikdirektors? Die man vielleicht auch im ersten Moment gar nicht so sehr im Kopf hat, wenn man an diese Position denkt, ich sag mal das Tagesgeschäft.

Wie sieht so ein Arbeitstag, wenn es überhaupt den typischen gibt, bei dir aus?

Felix Bender:

Also meistens beginnt mein Arbeitstag damit, dass ich die Augen aufschlage und dann gucke ich, wo ich gelandet bin..

Grundsätzlich ist es schon so, dass wir als GMDs hier noch ein paar andere Aufgaben haben, also das rein Musikalische, Handwerkliche auch dann tatsächlich überschreiten oder verlassen. Natürlich auch das Organisatorische, darüber haben wir jetzt schon vieles gesprochen, Verwaltungsarbeit, viele Besprechungen, Sitzungen, Planungen, wir sind ja immer in unserem Theaterbetrieb sehr früh mit allem dran, ich sag jetzt ein Beispiel, so eine Kulturnacht zum Beispiel einmal im Jahr. Oder ein Neujahrskonzert. Das muss ja alles organisiert werden, ne, und da müssen Programme gemacht werden, da muss überlegt werden, wer singt, wie kann man das irgendwie alles ableisten? 

Aber ich bin natürlich auch ein Ansprechpartner für die Mitarbeiter dieses Hauses, also gerade im Orchester, bin ich jemand, der Fragen beantworten kann oder der angesprochen wird, wenn es Probleme gibt, wenn ich mal schlichten muss oder wenn es durchaus auch mal irgendwie was zu klären gibt, was auch nicht immer so angenehm ist, das wird, das bleibt nicht alles, ja, und natürlich, ich bin immer dann dafür da, auch mit den Sängerinnen und Sängern oder mit den Musikern und Musikern über ihre Urlaubsgesuche zu sprechen, da muss ich gucken, passt das, geht das in unseren Plan, und beim Konzertwesen bin ich wirklich derjenige, der da alles sozusagen zusammenführt und dann noch abliefert, also ich telefoniere auch dann mit den jeweiligen Agenturen. Mit unserer Mitarbeiterin Frau Lee gehen wir zusammen das Notmaterial durch, was wird bestellt und so solche Sachen. Also das ist schon relativ viel E-Mail Arbeit, zum Beispiel.

Christian Stolz:

Auch heute hatten wir gerade ein Vorsingen.. 

Felix Bender:

Heute hatten wir gerade ein Vorsingen, genau. Das war jetzt nicht so lange, heute mal waren es nur zwei Damen, aber das muss man ja auch dann erstmal wieder auswerten, gucken ist da was dabei gewesen, könnten wir uns in Zusammenarbeit vorstellen. Ja und das das ist natürlich einfach, das sind viele, so auch Termine. Dann fragt er Dramaturg noch an, ob wir ein Interview führen können von dem Podcast. Das kommt dann auch noch dazu…Aber es macht großen Spaß.

Christian Stolz:

Das macht es mir auch. Ja, und du hast, wenn man sich das so anguckt, so eine Saison bei dir, was du alles schon allein jetzt in diesem musikalischen Leitungsbereich, sag ich mal, wie viele Konzerte du dirigierst, ja oft ein Großteil der philharmonischen Konzerte im CCU und dann meistens so um die drei Opern noch im großen Haus hier oder auch mal im Podium, die du musikalisch leitest, das ist schon eine Menge Holz, wie man sagt, und dann bist du immer wieder auch in anderen Häusern, quasi als Gastdirigent tätig, etwas, was wahrscheinlich als junger Dirigent sehr wichtig ist. Man hält Kontakt mit anderen Häusern, also auch als Generalmusikdirektor, hier in Ulm, und man hat einen Austausch und lernt andere Kollektive, andere Ensembles, andere Orchester kennen, was wahrscheinlich auch die Arbeit für dich hier bereichert, oder? 

Felix Bender:

Also, besser hätte ich es nicht sagen können. Genauso ist es, das ist auch, glaube ich, ganz wichtig für unsere Generation Dirigenten, dass wir immer ein bisschen auch in Bewegung bleiben und nicht zu sehr nur auf einem Punkt ganz bequem dann ausruhen.

Man muss, glaube ich, in dem Job irgendwie immer eine Offenheit, weiter so beibehalten. Und so haben sich. Und deswegen geniesse ich das natürlich auch, mal woanders zu dirigieren. Wobei es dann auch irgendwie wieder schön ist, hier in seinem vertrauten Graben oder mit seinen vertrauten Musikerinnen und Musikern proben und arbeiten zu können und dieses gemeinsame Musizieren geht natürlich dann trotzdem hier viel besser, ist ja klar.

Aber trotzdem mal in Köln oder in Kaiserslautern oder in Wuppertal, in Leipzig oder Hannover dirigiert, das sind doch trotzdem Erfahrungen. Ich hab jetzt in München neulich zum ersten Mal im Gärtnerplatz Theater dirigiert und das hat auch Riesenspaß gemacht und da spürt man wieder, was geht denn gut, was geht nicht so gut, auch ohne Probe, wie gut transportiert sich was, wie gut kommuniziere ich vielleicht auch und da lernt man viel und da ist es auch immer wieder gut um sich selber dann auf dem Prüfstand zu stellen und zu verbessern. Und wenn das irgendwie diesen Ulmer Plan hier reinpasst, mache ich es gerne. 

Ja, aber natürlich, Ulm hat immer erste Priorität und ich sag auch viele Sachen ab, die einfach nicht gehen, wo es einfach dann von unserer Seite aus heißen muss: Nee, das geht nicht, da ist gerade eine Produktion und da sind gerade Proben fürs Konzert oder so, wir versuchen das immer irgendwie möglich zu machen und da bin ich auch sehr dankbar dafür und manchmal wird es eben auch nicht und da muss ich leider auch mal absagen, ist doch klar.

Christian Stolz:

Ich finde das sehr eindrücklich, dieses Pensum von dir ist mir auch sehr im Kopf geblieben. Du hast von »Elektra« erzählt am Anfang dieser Spielzeit in Köln, du hattest, glaub ich, mit der Südwestpresse hier ein ein Gespräch dabei geführt über deine Zeit dort und ich glaube du sagtest sowas in der Art, du kennst die Nachtzugverbindung zwischen Köln und Ulm jetzt sehr gut. 

Also ich glaub du hattest ja währenddessen hier auch dann kurz danach sind hier schon Proben für eine andere Produktion gestartet. Also du hast eben auch schon von der wenigen Freizeit erzählt, die man als Generalmusikdirektor hat, also wirklich ein teilweise zeitlich wahrscheinlich auch wildes Berufsleben, was du da da führst.. 

Felix Bender:

Ja hin und wieder schon und deswegen macht es schon so Spaß, einfach mal beim Basketball, nur im Rang zu sitzen und mitzujubeln, das war dann schon schön. 

Ja tatsächlich, also das ist natürlich ein Unterschied, ob man jetzt von Ulm aus in Augsburg oder Stuttgart gastiert oder eben in Köln oder Hannover. Ich meine, also die Entfernungen und ich weiß jetzt, also ich hatte wirklich also als die »Elektra« dann lief, diese Proben, diese harten Proben dann mit dem wirklich fantastischen Orchester in Köln, das ist erstens sowieso nervenaufreibend genug mit so einem Stück dort zu dirigieren und dann war es wirklich so, wir hatten hier Proben für das Sinfoniekonzert, was dann gleich kam, das erste Sinfoniekonzert zu Beginn der Spielzeit mit »La noche de los mayas«, zum Beispiel, und da war hier, ich weiß nicht mehr ganz genau, das war hier zum Beispiel 10:00 Uhr Probe, 19.00 Uhr Probe und am nächsten Morgen aber 10:00 Uhr BO »Elektra« in Köln, das heißt, diese Nachtzugverbindungen, wie du sagst, die Züge, die um 01:30 Uhr losfahren und dann um 07:00 Uhr oder 06:30 Uhr da sind, die kannte ich gut damals ja.

Christian Stolz:

Man hört natürlich auch immer wieder von lustigen Dingen oder absurden Dingen, die während eines Konzerts oder während einer Oper Aufführung passieren können: Dirigenten, die sich aus Versehen den Dirigierstab und die Hand bohren oder wie auch immer..

Felix Bender:

..was nicht so nicht so lustig ist, eigentlich..

Christian Stolz:

Aber kannst du dich vielleicht in deiner bisherigen Laufbahn schon an absurde oder Erlebnisse erinnern, die sich besonders bei dir eingebrannt haben, wo vielleicht im Moment alles schief gegangen ist, aber nachher doch, dachte: OK, ich kann jetzt wieder drüber lachen?

Felix Bender:

Ach ja, natürlich, da ist uns allen, glaube ich, schon mal was passiert. Also der Klassiker ist natürlich, man ist so im, ja, man ist so in Aktion und man dirigiert voller Leidenschaft gerade und man ist dabei den Stab durch die Orchestermassen zu schwingen und auf einmal fliegt er weg, weil man ihn nicht gut genug festgehalten hat und landet im Publikum. 

Und das ist mir auch schon passiert. Auch in Ulm hier schon ein-, zweimal. Und dann ist dann meistens so ein netter Herr oder eine nette Dame aus dem Publikum und reicht dann das Stäbchen wieder ein, sozusagen ja, und dann geht es weiter. Es war immer sehr lustig, aber so..

Es kann ja auch mal was passieren. Wir hatten jetzt ganz, der wurde auch prominent behandelt, der Fall, wir hatten Neujahrskonzert dieses Jahr mit Markus Franck als Solist und da ist auf einmal das komplette Licht ausgefallen, auf einmal war es alles schwarz und da haben wir natürlich erstmal aufgehört und dann gab es ein bisschen Gelächter, Applaus und dann musste man dann auch gucken, wie man damit umgeht und wir haben das dann, glaub ich, sehr schön zusammen mit unserem tollen Publikum zu Ende gebracht, etwas verkürzt mit einer improvisierten Zugabe. 

Ja, oder in Weimar, zum Beispiel, ist es auch mal so gewesen, ich hab eine »Zauberflöte« dirigiert und da ist dann so in einem Nachspiel von einem Chor,»Triumph, Triumph« ist das, der Chor im zweiten Akt. Auf einmal sollte ein Lichtwechsel sein und irgendwas war, ich weiß nicht mehr genau, ob jetzt irgendwas beim Inspizienten falsch gedrückt wurde oder irgendwie, eine Schaltung hat nicht funktioniert…

Auf einmal wurde es komplett schwarz auch, ja und der gesamte Orchestergraben war schwarz und die Weimarer Staatskapelle hat dann so noch ein paar Takte weitergespielt weil sie es natürlich kannten, sehr gut kannten sogar und da war dann auch der Chor glücklicherweise Grad zu Ende, da gab es großes Gelächter und was mir erst im Nachhinein aufgefallen ist, als ich dann so darüber nachgedacht habe und reflektiert habe, ist mir dann aufgefallen, dass ich, obwohl es ja auf einmal dunkelschwarz war in dieser Zauberflötenaufführung, ich hab weiter dirigiert und dachte so: Oh, bloß irgendwie noch weiter dirigieren, vielleicht sehen sie noch irgendwie was oder so, dabei war das natürlich vollkommen zwecklos. Man hat nichts mehr gesehen und im Nachhinein muss man dann sagen, lach ich da auch drüber, ne.

Christian Stolz:

Hat ja auch was sehr theatrales, dass du eigentlich weiter dirigiert hast. Man es wahrscheinlich nicht gesehen hat ..

Felix Bender:

Nee, gar nicht

Christian Stolz:

..aber du hast weiter gemacht..

Felix Bender:

Ich hab dann so gesagt, komm wir ziehen dass durch! Und am Ende war dann nur noch eine Bratsche übrig, die machte dann so: Bööp. Und dann war sowieso Riesengelächter..

Christian Stolz:

Gibt’s im Gegenteil Momente, Situationen, wo du besonders beglückt warst oder gesagt hast, das waren wirklich als Dirigent, aber auch im gesamten Kontext der Musik, dieser Aufführung Erlebnisse, wo du sagst, die speicher ich quasi in meiner persönlichen Schatzkiste ab.

Felix Bender:

Ja, auch das ist ne schwere Frage, weil man so als, also als Dirigent so viele tolle Erlebnisse haben kann. Und ich kann mich auch sehr gut an viele wirklich tolle Sachen erinnern, wenn ich jetzt nur mal an die Ulmer Zeit denke, ist es, sind es diese wunderbaren Sinfoniekonzerte, die auch so toll vom Publikum angenommen werden, wo wir eigentlich immer mit einem ganz großartigen Gefühl rausgehen und ich denke dann immer, was für ein Glück wir doch haben, dass wir diesen tollen Job machen können..

Ja, jetzt hier im Opern-Bereich. Ich meine, jede großartige Aufführung, wenn sie gut gelaufen ist oder schweres Stück, was dann gut gelaufen ist, hat eine gewisse, bringt eine gewisse Zufriedenheit, es kann auch mal sein, dass mein Abend nicht so gut läuft übrigens, ist hier selten, aber dass man als Dirigent sagt: Ach Mensch, wieso hat das denn heute nicht so gut geklappt oder irgendwie jemand war nicht so gut drauf oder so oder man selber ist auch mal nicht so gut drauf. Man ist ja keine Maschine. 

Aber so im Grundsätzlichen muss ich sagen, also wenn man »Parsifal« hier dirigieren darf, dann ist man auf Wolke 7. Wenn man Mozart dirigieren darf, ist man auf Wolke 7. Ich weiß genau, ich hab an diesen Donizettis Riesenspaß, ich weiß auch ich werd »Roberto Devereux«, ich werd das lieben, das zu dirigieren, das weiß ich jetzt schon ja und »Idomeneo«, hab ich jetzt schon dreimal glaub ich gesagt, aber ich halte das für eins der besten Stücke überhaupt, geht schon in der Ouvertüre los und jede Arie ist eine Kostbarkeit sondergleichen, jedes Rezitativ auch mit Streichern Accomagnato, das ist einfach so eine tolle großartige Klangwelt, die der Mozart erschaffen hat. Man denkt dann auch nur, wenn man glaubt, mein Gott, sie konnte ein Vierundzwanzigjähriger das schreiben und dann stell ich mir das natürlich auch vor, wie ich das dann regiere, genauso wie »Don Giovanni«, wenn man sowas dirigiert, dann ist man wirklich, ja eigentlich, besser geht es nicht.

Christian Stolz:

Du hast gerade schon davon gesprochen, wir haben hier in Ulm ein zugewandtes Publikum, die Konzerte, die Opernvorstellungen sind gut gefüllt. Das Live-Erlebnis im Theater im Konzert wird geschätzt. Gleichzeitig gibt es natürlich auch, wir haben anfangs schon mal kurz diese Klammer gezogen, es gibt die Vermittlungsangebote nach außen, die Dialogkonzerte in den Schulen zum Beispiel. Wir haben jetzt am Ende der Saison auch ein Familienkonzert, ein Kinderkonzert, wo sozusagen noch mal das jüngste Publikum an die Musik herangeführt wird. 

Sind das auch Fragen, die dich als GMD beschäftigen, quasi dieses Live-Erlebnis Theater auch für die junge Generation zu erhalten und wie man da in die Zukunft quasi geht, welche Konzepte es auch gibt, um ans Theater ranzuführen, weil ich sag mal, es gibt viel Konkurrenz, das wissen wir spätestens seit Corona durch Social Media, durch natürlich Fernsehen immer schon, aber quasi, es gibt bequeme Angebote, mit denen man, sag ich mal, dem Theater ausweichen kann, aber wir wollen ja die Leute gerade ins Theater holen, wie siehst du da die Vermittlungsrolle in der Musik, im Musikbereich?

Felix Bender:

Ja, total wichtig, und es ist auch etwas, was mir wichtig ist. Das habe ich auch schon, am Anfang gesagt, dass ich natürlich auch dafür stehen möchte, dass noch mehr junges Publikum ins Theater kommt. Ich finde, wir bieten gute Sachen an, auch im pädagogischen Bereich, Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit der Uni hier, mit der Universität Ulm. Das wir tolle Kartenangebote für die Studentinnen und Studenten haben, die können wir wirklich sehr günstig reinkommen. 

Ich darf mir wünschen, dass das noch ein bisschen mehr genutzt würde. Ich glaube, wir bieten auch selbst in den Stücken, die vielleicht eher so im Repertoire Kernrepertoire sind, die vielleicht jetzt für ein eher jüngeres Publikum nicht auf den ersten Blick so super attraktiv erscheinen, bieten wir doch, glaube ich, immer genug tolle Inszenierungen und großartige Live-Erlebnisse, um alle Menschen, die da reingehen, zu packen. 

Also ich versuche immer, wenn es irgendwie geht, junge Leute direkt irgendwie anzusprechen und reinzuholen, indem ich jetzt zum Beispiel immer schon, wenn ich jetzt zum Beispiel unsere jungen Leute von der Bürgerbühne im Haus sehe, quatsche ich auch mal ein bisschen mit denen und dann sage ich immer, ihr müsst jetzt mal in »Idomeneo« kommen, nächstes Jahr, zum Beispiel, weil da irgendwie so tollen Projektionen von Kobie van Rensburg gezeigt werden. Es wird sehr multimediamäßig sein, es wird viele tolle, variable und bewegliche Übertitel geben, also es wird ein ganz anderes Opernerlebnis. 

Oder ich lade manchmal auch einfach junge Leute in unsere Sinfoniekonzerte ein, ich meine die sind eh gut besucht, aber da kann man immer sagen es könnten ruhig noch ein paar mehr junge Leute kommen und deswegen, ich versuche auch immer dann hier auch mit unserem Publikum insgesamt in den Einführungsmatinéen oder bei anderen Gelegenheiten immer wirklich einen guten Draht zu finden, einen guten Kontakt zu haben. Man kann mich auch immer ansprechen und fragen und dann sag ich auch immer, bringt noch eure Familie mit oder Bekannte und Freunde, die sonst nicht so gerne oder nicht so oft ins Theater gehen und ich, ich weise immer auf das Neujahrskonzert hin, da kommen ganz viele, die sonst nie kommen.

Und das ist ja auch nochmal wie eine eigene Produktion eigentlich ne, das ist auch noch mal ein Riesenblock im Januar.. Aber ich finde da haben wir so ein schönes Angebot und wir werden da auch weiter dran arbeiten auch in den neuen Intendanz sicherlich, da immer noch weiter neues junges Publikum zu generieren und auch noch mehr an die Stadt auszustrahlen und dafür stehe ich dann auch mit meinen Abteilungen.

Christian Stolz:

Das ist, glaube ich, auch das Schöne an dieser Position des Generalmusikdirektors, es kam ja jetzt gerade auch die Mitteilung vor kurzem, dass du über den Intendanzwechsel hinaus weiter das Musiktheater, also als Generalmusikdirektor das ganze Musikwesen hier am Theater weiter mitgestalten kannst. Dazu noch einmal herzlichen Glückwunsch!

Felix Bender:

Danke, dir. Ja. Ich freue mich..

Christian Stolz:

..dass es weitergeht und ich glaube, das ist ja das Schöne, du kannst langfristig Visionen entwickeln für das Theater. Bist vor einigen Jahren hergekommen. Würdest du sagen, dass als du hergekommen bist nach Ulm, dass du einen anderen Blick aus das Stadtpublikum hier, auf das Haus hattest, als du ihn jetzt hast? Also hat ich deinen Blick auf diese Stadt und auf dieses Theater verändert und wie siehst du das auf die nächste Zeit, quasi die große Vision, wenn du dazu schon etwas sagen kannst für das Haus?

Felix Bender:

Ja gut, also mit den wachsenden Erfahrungen hier in so einer Stadt und einem so prominent situierten Theater da wachsen eben auch die Eindrücke, natürlich.

Also, es ist ja so, wenn man neu irgendwo anfängt.. Man ist eher neugierig und man weiß ja nicht so richtig, worauf man sich anlässt. Ich kannte das irgendwo Publikum so ein ganz ganz kleines bisschen schon, weil ich einmal als Gastdirigent hier 2015 bereits im Konzertwesen ein Konzert dirigiert habe mit damals »Mathis der Maler« von Paul Hindemith als Hauptstück, und das war schon schön, und da hab ich sehr gute Erinnerungen dran gehabt und deswegen war für mich auch als es die Bewerbung zum Schreiben war für Ulm hab ich nicht lange gezögert, ne, als also sozusagen die Stelle frei wurde, oder es klar wurde, dass die Stelle frei werden würde, da hab ich mich sehr gerne gut und schnell wieder an die tolle Zeit in Ulm erinnert und ich hatte das so als sehr auch, ich war damals auch in einer Vorstellung drin, und ich hatte das als sehr gute Erinnerung und das hat sich auch total bewahrheitet und jetzt natürlich, man kennt einfach die Leute ein bisschen besser schon.

 Man erkennt auch wirklich vertraute Gesichter in den Einführungsmatinéen oder in den verschiedenen Publika, das macht schon auch Spaß dann für die dann zu musizieren. Man wird auch mal auf der Straße angesprochen… So, also was ich ganz schön finde in Ulm ist, dass da, obwohl auch gerne das Kernrepertoire gewünscht wird und gerne gesehen wird, es gibt trotzdem eine Offenheit auf sich zusammen mit uns auf was Neues einzulassen, ob das jetzt der Tournemore ist zum Beispiel, oder davor der George Benjamin »Lessons in Love and Violence«, also das kommt auch gut an, es wird nie ausverkauft sein, natürlich, aber es kommt gut an. 

Und in den Konzerten, da ist mir ja vollkommen freie Hand gelassen, da kann ich sowieso im Grunde machen, was ich will. Natürlich muss man ein bisschen gucken auf die Verfügbarkeiten und Bedürfnisse, aber ich versuche immer so ein sehr farbiges Programm dann zusammenzustellen und das wird auch honoriert und diese, da bin ich auch dankbar dafür, und deswegen mag ich das Ulmer Publikum, ich finde, manchmal könnten sie noch so ein kleines bisschen mehr aus sich heraus, hinausgehen, so ne. 

Also manchmal macht man, hat man das gefühl so man hat das ein großartiges Finale von der Oper dirigiert und hört mit einen großen Bam auf, einem großen Schlussakkord oder hat eine riesige Sinfonie gerade erfolgreich zu Ende gebracht und dann ist man selber auf so einem Hoch, so einem Adrenalinhoch. Da denkt man: Jetzt müssen eigentlich alle Bravo schreien, und es gibt auch Leute, die Bravo schreien, aber es sind längst nicht so viele, wie ich hoffen würde, ja, aber Quatsch. Also das ist kommt auf das Stück an, das ist manchmal auch ganz großartig, wie die Menschen aus sich herausgehen im Publikum, also, ich bin eigentlich sehr zufrieden und sehr glücklich und und bin auch gerne mit unserem Publikum in Kontakt oder mit dem Theaterförderverein bin ich sehr gut vernetzt. Wir verstehen uns sehr, sehr gut und tauschen uns auch oft aus und die helfen uns auch oft und insofern macht mir das schon alles Spaß. 

Christian Stolz:

Das ist ein spannender Punkt, von dem du eben erzählt hast, auch Darsteller auf der Bühne erzählen ja oft, dass es quasi verschiedene Stimmungen an einem Abend gibt, die man einfach so, Atmosphäre, die man aus dem Publikum merkt, mal ist es ausgelassen, mal ist es etwas ernster, mal wird mehr gelacht, mal wird weniger gelacht, je nachdem natürlich auch, was es für ein Stück ist. Und würdest du auch sagen, im Orchestergraben merkt man auch eine gewisse Stimmung an dem Abend aus dem Publikum, oder ist jeder Abend ein bisschen unterschiedlich?

Felix Bender:

Auf jeden Fall ist jeder Abend ein bisschen unterschiedlich, und wir merken das sehr gut. Es ist schon ein Unterschied, ob man jetzt vor einem halbvollen Haus oder einem fast ausverkauften Haus spielt, ich meine, wir hatten jetzt bei »Otello« zum Beispiel eine super Serie, die dann richtig voll war, immer, und dann so eine großartige Musik spielen zu können mit so einer tollen Inszenierung, tollen Chor, tollen Solosängerinnen und Sängern und wenn man da so auch schon reinkam, das vibrierte schon alles so, die Luft war schon so in Bewegung. Und dementsprechend hat man dann natürlich auch alles rausgeholt aus dem Abend. 

Aber es ist z.B. jetzt bei dem Tournemire, vielleicht ein gutes Beispiel dafür, das ist ein bisschen schwierigere Musik, das ist auch manchmal ein bisschen vielleicht fremdartig und neu, wenn man sich drauf einlässt und auf die verschiedenen tollen Klang- und Farbmixturen hört, ist es wahnsinnig spannend, auch für Leute, die das vielleicht noch nie gehört haben, sowas, aber es hört zum Beispiel extrem leise auf. Also ich hab auch den Streichern, die am Ende alleine spielen, habe ich gesagt, das muss das leiseste sein, dass sie jemals hier in diesem Haus gespielt haben, das sind so ganz stabile Pianissisimo-Akkorde, die unglaublich zart und langsam dastehen. 

Und dann gibt es natürlich erstmal kein Bravo-Gebrande, sondern kommt erstmal so eine Nachdenklichkeit, Stille, eine Energie und so langsam löst sich das dann auf und dann kommt der Applaus, wie so eine Erlösung auch irgendwo auf uns zu und dann ist man so platt, da ist man einfach nach den drei Stunden, dann verbeugt man sich einfach und dann ab ins Zimmer. Also, die Stimmungen, das merkt man doch schon sehr.

Christian Stolz:

Und um diesen Ausblick auf die nächste Spielzeit jetzt erstmal ein wenig abzurunden: Ein Highlight auch der nächsten Spielzeit und der große Finalpunkt der Intendanz auch von Kay Metzger, »Die Meistersinger von Nürnberg« am Ende der nächsten Saison auch etwas, worauf man sich sehr freuen kann.

Felix Bender:

Aber hallo! Ja auf jeden Fall, das ist sicherlich eins der größten Projekte, was wir hier oder was überhaupt jemals hier am Theater Ulm gemacht wurde, das ist ein ein Mammutstück wirklich. 

Manchmal auch ein sehr lustiges Stück, dass es also keine tragische Tristan und Isolde-Geschichte, aber es gibt tragische Elemente oder nachdenklich machende Elemente, aber es ist insgesamt ein sehr frohes, frisches Stück, was viele Tugenden besingt, also sehr auf der positiven Seite des Lebens steht. 

Und gerade eben weil es ja da um diese Meistersinger Gesellschaft in Nürnberg geht, also um ein großes, ja gewachsenes Bürgertum, ein Bildungsbürgertum dann, was man hier übertragen kann nach Ulm. Wir sind ja auch eine sehr bürgerlich geprägte Stadt, also ich finde, es ist einfach, es gibt einen tollen Bezug zur Stadt und ich weiß auch, dass wenn wir hier Wagner auf dem Spielplan setzen, da wird das Haus auch immer voll und deswegen freue ich mich da schon sehr drauf. Wir werden aufgrund der riesigen Besetzung in der hohen Kosten usw., werden wir es nur sechs mal spielen können, ab 2. Juni nächsten Jahres. 

Also da kann ich Sie nur ganz herzlich animieren, sich da auf jeden Fall eine Karte zu besorgen, das kommt nur diese sechs mal und dann werden wir das jetzt, dieses Stück sicher in den nächsten Jahrzehnten hier in Ulm nicht mehr erleben können. 

Genauso mit dem »Parsifal«, ja, den wir ja noch nachgeholt haben. Und das war ein ganz tolles Erlebnis. Und ja, also auf diese »Meistersinger« freue ich mich sehr, ich muss sagen, ich hab da auch im letzten Konzert der Spielzeit, was auch, glaub ich im Mai, Juni dann stattfinden wird, ich glaube im Juni, an meinem Geburtstag findet das statt. Das letzte Konzert, fällt mir gerade auf, am 30. Juni genau 30. Juni 2026 machen wir unser letztes Konzert und da spielen wir auch einen großen Wagner und zwar »Ring des Nibelungen«, allerdings nicht in der fünfzehnstündigen Fassung mit der gesamten Geschichte, mit allen Sängern, sondern wirklich nur orchestrale Momente daraus in einer 70-minütigen Kurzfassung, wenn man so will, ja ein Überblick und eine Reise durch die mythologischen Welten Richard Wagners, eben in diesem »Ring« und damit hört dann auch unsere Saison im sinfonischen Bereich auf, also Wagner Wagner nächstes Jahr.

Christian Stolz:

Ich würde sagen, nach dem Hinweis auf deinen Geburtstag kannst du doch einige Kuchen erwarten.

Felix Bender:

Das Merk ich jetzt auch im Nachhinein gerade. Vielleicht war das gar nicht so schlecht.

Christian Stolz:

Wir haben jetzt gerade schon viel über Opern und über Konzertwesen gesprochen. Eine Leidenschaft von dir ist aber auch das Ballett und du hast mir erzählt, dass es gar nicht so selbstverständlich, dass jeder Dirigent auch gerne Ballett dirigiert. Bei dir ist es aber so.

Felix Bender:

Ja, ich glaube also, das ist noch mal eine andere Form des Dirigierens. Also einfach schon mal aus der Gattung heraus, also man hat ja keine Sängerinnen und Sänger, die man delegieren oder anführen muss und dementsprechend muss man auch im Orchester fast nie auf die Lautstärke achten. 

Man kann auch manchmal wirklich fortissimo ist, mal richtig alles rausholen und das ist in den großen Tschaikowski und Strawinsky Balletten natürlich Pflicht sozusagen, aber ich hab das immer toll gefunden, mit Ballett zusammenzuarbeiten.. hab ich schon in Chemnitz gerne gemacht oder in Leipzig mit dem Leipziger Ballett einige Produktionen gemacht.

Weil ich eben diese Verschränkung von sinfonischer Musik, manchmal ist es sakrale Musik, und eben mit dieser Körperlichkeit des Tanzes, diese Verschränkung, die find ich wahnsinnig interessant. Und ich muss sagen, jetzt über die Jahre hab ich mich auch damit sehr beschäftigt und ich kenn mich so ein bisschen damit aus. Ich versuche irgendwie immer mitzufühlen und mit zu denken, was die Tänzerinnen und Tänzer brauchen. Ganz besonders wichtig ist, dass die Tempi immer gleich sind, dann in den Aufführungen, also dass man, auch wenn man zwei Wochen das Stück nicht generiert hat oder vier Wochen vielleicht mal, das ist dann genauso wieder ist, damit die ihre Bewegungsabläufe, ihre einstudierten, wirklich dann wieder genau abrufen können.

Aber irgendwie, das liegt mir ganz gut und ich mach es auch gerne. Aber ich kenne auch wirklich einige Dirigenten, die sagen, ach, das interessiert mich gar nicht und wieder sowas und ich versuch mir das nicht, nicht fern von mir zu halten, ich versuch das immer auf mich zukommen zu lassen und das dann auch zu bedienen und das macht mir dann auch Spaß. 

Christian Stolz:

Und aktuell in dieser Spielzeit hast Du eines der anspruchsvollsten Ballettwerke überhaupt dirigiert »Le Sacre du Printemps« vor ein paar Wochen, du hattest erzählt, dass es mal vor einigen Jahren in Leipzig einmalig..

Felix Bender:

Eingesprungen, ohne Probe, doch eine Probe war, Entschuldigung, eine Probe war dabei.

Christian Stolz:

…und dann sagtest: Eigentlich hattest du am Anfang deiner Laufbahn mal gesagt, wenn du einmal »Sacre« dirigiert hast, dann kannst du dich gemütlich zurücklehnen, weil dann hat man quasi, hast du erstmal alles gemacht, was gemacht werden konnte, hast du es zurückgenommen jetzt hier in Ulm? Du willst noch weitermachen?

Felix Bender:

Ja, Gott sei dank, ich will jetzt weitermachen. Genau.

Christian Stolz:

Aber wahrscheinlich trotzdem toll hier so eine ganze eigene Produktion ist von »Le Sacre du Printemps«..

Felix Bender:

Fantastisch natürlich. Also das ist ja auch für alle uns, also für alle Dirigenten ein Traumstück, ist sicherlich vielleicht das wichtigste Werk des 20. Jahrhunderts überhaupt.

Ich lehn mich da ein bisschen aus dem Fenster, ich weiß, aber ich glaube, es gibt nicht viele Stücke, die in der Kategorie mithalten können, die haben die Musikgeschichte verändert und den Lauf auch mitgeprägt und dadurch auch irgendwie die Ausrichtung des 20. Jahrhunderts, also der Musik des 20. Jahrhunderts mitgeprägt. Und wenn man das dann dirigieren darf in seiner Schwierigkeit, ist es doch so ein überwältigendes Stück, das ist auch sowas, wenn man das dann zu Ende dirigiert hat, nach dieser halben Stunde »Le Sacre du Printemps« ist man einfach platt, man isst platt. Man sollte danach nichts anderes dirigieren, sage ich mal.

Christian Stolz:

Podcast Zuhörerinnen und Zuhörer, die regelmäßig dabei sind, kennen wahrscheinlich diese Frage, die immer so am Abschluss eines Podcasts kommt, nämlich das auch erzählt. Freizeit ist manchmal Mangelware als Generalmusikdirektor auch, und wenn du dann aber doch einmal die Tür des Theaters hinter dir schließen kannst, die Tür des Büros abgeschlossen hast, was machst du denn gerne in Ulm oder um Ulm herum, wo es dir am liebsten ist? 

Felix Bender:

Also seit neuestem gehe ich gern zum Basketball, das würde ich gerne nächste Saison noch ein bisschen weiter machen, weil es ist nicht eine tolle Erfahrung ist. 

Ich wurde übrigens angesprochen vom Basketballpublikum, von einigen danach: Oh, die Hymne, die haben ja so noch nie gehört mit den vier Hörnern, toll und wir sehen sie sonst immer nur im Konzertsaal oder im Opernhaus, jetzt hier wirklich mal beim Basketball, ist doch auch toll! Neulich hab ich im Fanblock gestanden, dann kam einer ein ganz netter Zuschauer vorbei und sagte: Ne, das ist doch mindestens genauso spannend wie jede Verdi-Oper, da hab ich gesagt, ja stimmt auf eine ganz andere Art und Weise, das ist auch genauso spannend und also das ist doch toll, wie man do so eine Verschränkung finden kann. 

Ich bin gerne auch mal draußen unterwegs, ich hab hier wirklich in diesem Haus und dafür bin ich so dankbar, tolle Freundschaften schließen können. Wir haben hier ein ganz tolles Team. Also ich liebe meinen Kollegen alle wirklich aufs Innigste. Unser Dirigenten-Team ist super hier am Haus. Mit denen würde ich auch jederzeit irgendwo mal essen gehen oder was weiß ich Kegeln gehen oder sowas bowlen gehen oder mal wandern gehen oder sowas also das das ist toll aber auch zum Beispiel unsere Pianistinnen und Pianisten also fantastisch alle drei, die wir hier haben wunderbar, mit denen könnte man auch, würde ich jeden Tag Zeit verbringen.. 

Die Sängerinnen und Sänger sind alle so nett, das Orchester, das sind so tolle, tolle Menschen drin und insofern, ich verbringe gerne Zeit mit Menschen, hoffentlich der ein oder andere auch gerne mal mit mir und ansonsten interessiert mich gerne so für alte Geschichte, Architektur, Kunst und Malerei. Immer wenn ich in einer anderen Stadt bin, wenn ich mal in Köln bin zum Beispiel, also gehe ich immer ins Museum, immer mal in den Dom, wieder rein, natürlich. Versuche immer, also wenn ich irgendwas von dem Kulturangebot der jeweiligen Stadt mitkriegen kann, versuche ich das mitzunehmen.

Und ich bin auch gerne unterwegs, deswegen stört mich das auch nicht, diese Reisen zu machen. Also ich bin auch gerne mal im Zug, ich kann da mich auch irgendwie relaxt auf was Neues einstellen und bin dann irgendwie frisch genug auch eine Probe dirigieren zu können, nicht immer natürlich, aber meistens. Also ich bin auch ganz gern unterwegs.

Christian Stolz:

»Unterwegs« ist also das Motto der kommenden Spielzeit des Konzertprogramms. Das heißt, da hast du auch eine eigene Energie von dir, eine eigene Atmosphäre, quasi als Überthema, als Überschrift in so ein Konzertprogramm hineingebracht, wenn du selber gerne unterwegs bist. 

Felix Bender:

Das stimmt, ich überlege immer relativ lange, was sozusagen dieses Motto werden kann und dann, die Stücke purzeln dann aus mir raus, weil dann finde ich immer eigentlich was dazu passt. Das ist relativ schnell dieser Vorgang, dann muss man natürlich in die Feinjustierung gehen klar, welches Solostück passt zu welcher Sinfonie von der Länge von der Besetzung, auch vielleicht von der Ausrichtung des Konzerts insgesamt, aber da also dieses Thema zu suchen und zu finden da brauche ich immer ein bisschen länger und »Unterwegs«, da ist mir einfach so viel eingefallen. Und ich finde, es ist ein schönes Thema, um zusammen mit unserem Publikum auf Reisen zu gehen. 

Christian Stolz:

Wir gehen also musikalisch auf Reisen in der nächsten Spielzeit »Unterwegs«, sind jetzt erstmal in den nächsten Wochen anderweitig unterwegs, wahrscheinlich jeder für sich, wo es einen im Sommer gerne hin verschlägt, zu welchem Reiseziel wir haben das Theater ja ungefähr sechs Wochen, ist quasi erstmal kein Betrieb hier, dann dauert es zwei, drei Wochen bis der Betrieb hier, dann die ersten Premieren in der nächsten Spielzeit losgehen, so ab Mitte, Ende September..

Felix Bender:

»Idomeneo« zum Beispiel 

Christian Stolz:

»Idomeneo« zum Beispiel, genau. Dann gehts los. Hast du irgendeinen Wunsch für diese nächste Zeit für den Sommer, aber vielleicht auch für den Beginn dieser neuen Saison ans Publikum oder ans Haus, den du jetzt hier noch darbringen kannst?

Felix Bender:

Na also dem Publikum und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Haus wünsche ich natürlich erstmal einen ganz tollen Sommer dann, schöne Erholung, wenn Sie jetzt gerade diesen Podcast vielleicht hören, beim Wandern, im Wald, auf den Berggipfeln Europas oder andererseitig, oder sie liegen gerade am Pool oder am Meer, dann genießen Sie Ihre Zeit bitte noch.

Auch wir werden unsere Zeit genießen. Ich gebe zu, ich brauche das dann auch. Wir haben jetzt von heute aus ungefähr drei Wochen richtig hart zu arbeiten und die gehen dann ja doch immer schneller vorbei als man denkt. Aber dann freue ich mich auch mal ein bisschen rauszukommen, wieder auch mal einfach, vielleicht auch mal kurz ein bisschen wieder mehr alleine zu sein, das ist tut mir glaube ich dann auch wieder ganz gut und damit frisch aufgetankten Akkus gehen wir dann in die neue Spielzeit. Und da hoffe ich natürlich, dass ich so viele von Ihnen wie möglich im Konzert, in der Oper, im Ballett, im Schauspiel, im Musical wiedersehen werde.

Christian Stolz:

Und das kann auch sein, dass künstlerische Team tankt ein paar Wochen auf, trotzdem finden aber im Theater auch in diesen sechs Wochen noch in einigen Wochen arbeiten statt. Oft wird die Bühne, werden da Bühnenarbeiten gemacht, Teile der Verwaltung arbeiten auch, also durchaus auch immer noch Dinge, die im Hintergrund walten und schalten, damit die neue Spielzeit pünktlich und gut losgehen kann. 

Und damit würde ich sagen, sind wir am Ende dieses Podcasts angelangt oder hast du noch etwas, was du sehr gerne noch ansprechen oder loswerden möchtest? 

Felix Bender:

Ich würde dich noch was fragen wollen, gerne, und zwar wir haben ja immer, wenn wir uns unterhalten als Kollegen zwischen Dramaturg und Dirigent, kommen gerne so in die großen Gespräche. 

Wir gehen gerne tief in die Musik rein, dann würde ich also erstmal gerne von dir wissen, was so deine Lieblingsstücke sind und was so deine Lieblingsausrichtung in der Musik, dein Lieblingsstil ist. 

Das würde mich persönlich mal interessieren, weil ich merke, du brennst auch immer sehr und egal was wir machen, du bist immer voll drin und dann möchte ich dich gerne bitten mal zu raten von allem was du von mir jetzt gehört hast, sozusagen, wie du mich kennst, welche meine drei Top 3 Musikstücke ever sind. 

Christian Stolz:

Das sind spannende Fragen, das sind viele Fragen, weil das ist das Spannende. Ich stelle immer diese Fragen in diesen Interviews und denk immer wenn ich so eine Frage tippe oder mir vorher überlege.. Wow. OK, ich müsste wahrscheinlich mindestens einen halben Tag drüber nachdenken, um da wirklich eine Antwort darauf zu geben, deshalb nur um das mal zurückzuspielen. Ich hab großen Respekt davor.

Vor allen Dingen, weil wir sprechen auch diese Fragen vorher wirklich nicht ab. Also von jedem, die da so Antworten geben können. Beim Musikstil jetzt generell ist es so schon früher, als ich jetzt, so sag ich meine Kinder und Jugendzeit, als für mich jetzt persönlich klassische Musik gerade erst so anfing und es dann eher so um Popmusik oder so ging. 

Ich hab selber auf diese Frage immer schlecht antworten können, also auch so welches ist mein Lieblingslied oder so, als aus dem Popbereich oder so, weil bei mir ist so ist, ist es eigentlich das, was du gerade erzählt hast. Ich verlieb mich quasi dann so in ein Stück oder in einen Song oder was auch immer und für den dann wirklich eine Zeit lang ohne Ende. Also das ist super und dann hab ich den so viel gehört und ihn erstmal weglegen muss oder die Oper oder was auch immer und dann nach einer Zeit wieder hervorhole aber so ist es bei mir weniger etwas Dauerhaftes was ich die ganze Zeit dann so sage, das ist mein Lieblingswerk, sondern Dinge, die irgendwie so reinwandern und die ich dann immer wieder hervorhole und danach ein paar Monaten, hör ich mich quasi wieder satt an diesen Sachen. 

Wenn ich jetzt eine Oper zum Beispiel nennen sollte, die ich immer hören kann, wo ich nie satt bin, dann wär das »Salome« 

Felix Bender:

Oh toll, ja klar. 

Christian Stolz:

Also an der kann ich mich nie satt hören und wenn »Salome« irgendwo gespielt wird, dann würde es auf jeden Fall versuchen wirklich machen, dass ich da irgendwie das mindestens angucken kann. Das wär so ein Werk.

Felix Bender:

Solche Stücke gibt es ne, also wenn man einfach sich nicht satt hören kann, also »Eugen Onegin« ist auch so ein Stück zum Beispiel, ja, das ist also oder »Pique Dame« und sowas, das wird ja eigentlich, wir haben es hier gespielt in Ulm, also das kann ich jetzt sozusagen gerade nicht regieren, hier gerade, also »Pique Dame« , aber das ist, das sind tolle Werke, ja.

Ja, und du hast jetzt »Salome« genannt, da würde ich »Elektra« auch mit dazuzählen, das reißt mich immer wieder vom Hocker. Ja, aber das ist, das teile ich, also »Salome« fehlt mir auch noch, ich hab jetzt inzwischen durch meine Zeit in Chemnitz, hier, aber auch jetzt mit so Gastsachen in Köln, jetzt zum Beispiel hab ich doch ein bisschen Strauss dirigieren können »Rosenkavalier«,  »Ariadne auf Naxos«, »Elektra«, also schon so ganz große Werke, aber die »Salome« fehlt mir auch noch, die würd ich gerne machen und die »Alpensinfonie« würde mir auch noch, die liegt mir glaub ich auch, die würd ich gerne mal machen.

Christian Stolz:

Das sind ja schöne Ideen.

Felix Bender:

So jetzt frag ich dich mal, was du denkst, das ist jetzt wirklich nur ne Spaßfrage und Christian weiß das wirklich jetzt nicht. Aber zum Abschluss jetzt rat mal ganz kurz was du denken würdest, wenn ich dir sage rat mal meine drei Gipfel der Musikgeschichte?

Christian Stolz:

Ich habe eben als du die Frage gestellt, daran gedacht, dass der bei »Sacre« hatten wir ja ein Gespräch geführt, ich glaube fürs Programmheft, oder so und da hatten wir bei »Sacre« über die Bedeutung dieses großen Werks gesprochen und da hatte ich dich gefragt, welches sind für dich so Werke, die auf einer Stufe, quasi, mit der Bedeutung von »Sacre« stehen.. ich überlege gerade, ob diese 3/4 Werke, die du damals genannt hast, dieselben sind.

Felix Bender:

Ich schützele den Kopf, nein, leider nicht. Da musst du schon noch mal anders rangehen.

Christian Stolz:

Also, ich rate jetzt völlig und ich glaube, ich treffe nicht die Werke, aber es geht vielleicht zumindest in die Richtung..ich sag mal »Der Ring des Nibelungen« 

Felix Bender:

Ist schon mal toll. Ja ja, gehen wir weiter.

Christian Stolz:

»Werther« 

Felix Bender:

Auch super Stück. 

Christian Stolz:

Ja, »Sacre« hätte ich tatsächlich auch dazugezählt.

Felix Bender:

Also dann sind das jetzt deine drei Tipps und die sind alle wunderbar, interessant. Bis auf »Sacre« zwei Opern hast du genannt und jetzt schocke ich die Zuhörerinnen und Zuhörer, indem ich sage in meinen drei Top Werken ist nicht eine Oper dabei, das ist jetzt krass insofern weil wir die ganze Zeit darüber reden, wie wie sehr wir »Don Giovanni« lieben, wie sehr wir den »Ring« und Wagner und Verdi lieben und so weiter und da stehe ich auch dazu. Also es gibt für mich fast nichts Größeres als Oper. Aber wenn ich jetzt doch drei Stücke nennen sollte, das sind ganz andere Werke.. 

Christian Stolz:

Un welche sind, das?

Felix Bender: 

Bach, Johannes-Passion, Bach, Matthäus-Passion, Bach, h-Moll-Messe

Christian Stolz:

OK, das ist wirklich eine Überraschung

Felix Bender:

Es gibt für mich bei allen, also bei aller Liebe für alles ne, es gibt nichts großartigeres in der Musikgeschichte überhaupt zu diesen Werken, nur kurz zur Erklärung, die Christian gerade genannt hat, wo ich denke, die haben so einen ähnlichen Impact und Einfluss auf die Musikgeschichte gehabt wie »Sacre«, da zählte ich zum Beispiel »L’Orfeo« von Monteverdi mit dazu, eine der ersten großen Opern aus dem frühen 17. Jahrhundert. 

Ich zählte die Neunte von Beethoven damit dazu die 9. Sinfonie, aber ich zählte aber auch »Tristan und Isolde« mit von Wagner, weil die eben die nachkommenden Generationen geprägt haben, vielleicht noch Debussy, »Prélude à l’après-midi d’un faune« und dann Strawinsky, auf jeden Fall ja. 

Aber diese drei, und jetzt kommen wir wieder, eigentlich zum Anfang des Gesprächs zurück, das liegt mir so in meinem Körper drin, ich weiß nicht, was da passiert, also es können mir irgendwelche Mediziner vielleicht erklären, wenn ich einen Bach-Choral mitsingen darf oder höre, oder wenn ich an den Anfang von der Johannes-Passion denke…Ich kann das nicht vermeiden. Also mein Körper reagiert da irgendwie drauf, Pawlowscher Reflex, ich weiß es nicht, ne, ich fang mit an zu weinen oder irgendwie zu zittern, aber ich bin sofort vielleicht auch durch meine wirklich sehr konkrete Ausbildung mit dieser Musik, mit dem Zusammenleben mit diesen Komponisten irgendwo, auch, ja, bin ich da so geprägt, das hat natürlich auch was nostalgisches, ich komme ja heutzutage als Dirigent nicht dazu die Johannes-Passion zu dirigieren, ich hab es einmal mit Kobie tatsächlich gemacht in Südafrika, das war toll.

Aber es reicht wirklich, wenn du mir den Anfang von der h-Moll-Messe jetzt laufen lässt oder die ersten Akkorde von der Matthäus-Passion, dieses wunderbare Vorspiel, ich bin am Boden einfach. Dann es ist es ist das Großartigste, was je geschrieben wurde.

Oder vielleicht ist er auch ein bisschen Lokalpatriotismus mit dabei, weil ich natürlich, Leipzig ist meine Heimat, sozusagen, ich komme aus Halle, aber Leipzig war immer und wird immer meine Heimat irgendwo sein und diese Johannes-Passion, vielleicht warum ich sie zuerst genannt habe ist, weil ich das Stück am längsten kenne und weil ich da so eine, also von Bach auch geschriebene unglaubliche Tiefe, Dunkelheit und Emotionalität empfinde, sogar eigentlich noch mehr als in der eigentlich längeren, größeren, beeindruckenderen Matthäus-Passion.

Christian Stolz:

Ich fand das eben sehr berührend, wie du das erzählt hast, wie diese Magie der Musik nach wie vor wirkt, dass man sich das auch bewahrt, dieses Wertvolle, weil ich glaub, wenn man jeden Tag so viel mit Musik zu tun hat wie du, dann ist es kostbar, wenn man sich weiterhin von der Musik auch berauschen lassen kann, wenn man von ihr mitgerissen wird. 

Ist ja immer wieder, wenn man im Theater sitzt, man sieht dann eine Vorstellung. Man merkt, aha, OK, technisch ist das so gemacht, aha, jetzt passiert musikalisch das, aber gerade darum geht es doch, dass man sich das irgendwie bewahrt, dass diese Magie der Musik da bleibt, und das Wünsche ich dir und ich wünsche dir, dass es eine ganz tolle nächste Spielzeit wird und eine tolle Zeit mit all den Dingen, die da kommen und bedanke mich sehr für dieses Gespräch, für deine Fragen auch an mich.

Felix Bender:

Ich danke, lieber Christian und ich wünsche uns und auch Ihnen einen wunderschönen, erholsamen Sommer und dann freue ich mich sehr, Sie im nächsten Jahr in der nächsten Spielzeit hier bei uns im Theater Ulm begrüßen zu dürfen. 

Christian Stolz:

Wir hören uns wieder in der nächsten Saison bei Hinterbühne, dem Podcast des Theaters Ulm.